Es wird Christian Lindners großer Auftritt, sein Moment. Die Frage ist nur, wozu er ihn nutzen wird.
Um 12 Uhr bringt der Bundesfinanzminister den Haushaltsentwurf für 2025 offiziell in den Bundestag ein. Jenen Finanzplan, auf den sich die Ampel-Spitzen selbst nach monatelangen Verhandlungen nur mit Ach und Krach verständigen konnten. Der die Regierung beinahe gesprengt hätte. Und in dem am Ende noch immer eine Lücke von 12 Milliarden Euro klafft.
Nun ist es am Parlament, das Zahlenwerk in ein Gesetz zu gießen. Es dürfte politische Schwerstarbeit werden. Wie schwierig, mitunter schmutzig, das Unterfangen wird, lässt sich auch an Lindners Auftritt ablesen – befürchten Ampel-Politiker, die der FDP und ihrem Parteichef in diesen Tagen alles zutrauen.
Christian Lindner in der Klemme
Wird Lindner den Haushalt als Finanzminister einbringen? Oder in seiner Rolle als FDP-Chef, der seiner schwer gerupften Partei mit ein paar kernigen Ansagen neuen Kampfgeist einzuhauchen versucht? Die Sorge vor einer Provokation, die unweigerlich zu neuen Verwerfungen in der Ampel führen würde, ist jedenfalls groß.
Lindner genießt am Dienstagvormittag die volle Aufmerksamkeit des Parlaments, alle Augen sind auf ihn gerichtet. Die Einbringung des Haushaltsgesetzes ist traditionell der erste Tagesordnungspunkt nach der Sommerpause. Es ist gleichsam der offizielle Startschuss für die mehrwöchigen Haushaltsverhandlungen, in denen die strauchelnden Ampel-Parteien nach Profilierungsflächen suchen dürften, Konflikte inklusive.
"Hier kommen drei unterschiedliche Koalitionspartner mit unterschiedlichen Denkschulen zusammen", sagt Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem stern. "Unsere Verantwortung ist es jedoch, Antworten zu geben und nicht über Probleme zu lamentieren." In anderen Worten: Einfach wird’s nicht.
Zumal der Druck auf Christian Lindner in den eigenen Reihen wächst. Nach den Wahlniederlagen im Osten – in Thüringen flog man aus dem Landtag, in Sachsen kam man wieder nicht rein – ist der Frust bei manchen Liberalen groß. Eine Basisinitiative fordert den Ausstieg aus der Ampel-Koalition, ein Ende des "Trümmerkurses" – oder einen Rücktritt Lindners als Parteivorsitzender.
Das Ultimatum wollen sich führende FDP-Politiker nicht zu eigen machen, sie lehnen ein vorzeitiges Ampel-Aus entschieden ab. Doch der Vorgang zeigt: Es gärt bei den Liberalen. Anfang des Jahres fiel eine FDP-Mitgliederbefragung nur knapp zugunsten eines Verbleibs in der Ampel aus. Und jetzt? Wird die Schuldenbremse zwar eingehalten, doch die Umfragewerte sind immer noch im Keller.
Lindner stellt das vor ein Dilemma. Er muss seine Leute bei Laune halten, ohne dabei die Haushaltsverhandlungen so zu torpedieren, dass es zu einem vorzeitigen Koalitionsbruch kommt. Der politische Flurschaden wäre gewaltig, für die FDP womöglich sogar katastrophal: Bei Neuwahlen würden die Liberalen – ausweislich der aktuellen Umfragen – sogar aus dem Bundestag fliegen.
Die Frage lautet also: Kann das alles gutgehen?
SPD-Haushälter Rohde will Haushaltsloch auf einstelligen Milliardenbetrag reduzieren
Beschlossen werden soll der Haushalt im November. Die Grünen kündigen bereits "relevante Verbesserungen" an der Regierungsvorlage an, auch die SPD sieht noch Handlungsbedarf. "Eine Baustelle ist sicherlich die GMA, die auf einen einstelligen Milliardenbetrag reduziert werden muss", sagt Haushaltspolitiker Rohde. Gemeint: die 12-Milliarden-Euro-Finanzlücke.
Auf diese Höhe wird die sogenannte globale Minderausgabe (GMA) derzeit taxiert. Der Betrag muss 2025 eingespart werden. Wie, ist aber noch unklar. In der Regel wird diese Lücke im Laufe des Haushaltsjahres durch das Geld gestopft, das nicht verausgabt wurde. Die GMA ist also ein Hoffnungswert.
"Das Ziel ist es, bei der GMA auf zwei Prozent des Haushaltsvolumens zu kommen, also auf 9,6 Milliarden Euro", sagt Rohde. Das sei eine realistische Größenordnung an Geldern, die ohnehin nicht abfließen würden. "Für die Umsetzung erwarten wir konstruktive Vorschläge auch von der Bundesregierung."
Christian Lindner, der das Haushaltsloch ebenfalls auf 9,6 Milliarden Euro reduzieren will, hat sich dafür schon angeboten. Zu möglichen Einsparungen sagte er im "Bericht aus Berlin": "Ich bin gern bereit, weitere Vorschläge zu machen, wenn ich gefragt werde." SPD und Grüne dürften da andere Vorstellungen als der Finanzminister haben, sie würden ohnehin lieber die geltenden Schuldenregeln reformieren.
Die Zukunft der Koalition hängt somit auch an den Haushaltsexperten der Fraktionen. SPD-Mann Rohde ist optimistisch, dass am Ende ein solider, verfassungskonformer Haushalt stehen wird. "Die Verhandlungen werden nicht öffentlich, sondern ruhig und geordnet mit den Koalitionspartnern geführt." Das lässt sich auch als subtile Botschaft an die Ampel-Spitzen verstehen, die ihre Differenzen bevorzugt medial ausgetragen hatten.
Ab 12 Uhr wird sich zeigen, ob sich auch alle daran halten werden.