Bund und Länder wollen bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll gemeinsam "ergebnisoffen" Alternativen zum Standort Gorleben prüfen. Das erklärte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Freitag in Berlin nach Beratungen mit den Ländervertretern über das weitere Vorgehen und die Möglichkeiten für ein Endlagergesetz. Atomkraftgegner, aber auch Vertreter der Bundestags-Opposition blieben zunächst zurückhaltend.
Alle Bundesländer hätten sich mit dem Bund darauf verständigt, dass die Endlagerfrage im "nationalen Konsens" gelöst werden solle, sagte Röttgen. Es gebe eine "weiße Landkarte", die keinerlei Tabus zulasse, was die Lösung der Standortfrage betreffe. Zu dem ergebnisoffenen Prozess gehöre aber auch eine Weiterkundung von Gorleben. Im kommenden Jahr wollten sich Bund und Länder über ein Gesetz zur Endlagersuche verständigen, sagte der Minister. Noch im November solle dafür eine Arbeitsgruppe mehrerer Bundesländer eingerichtet werden.
Die Lösung der Endlagerfrage gehöre zu den wichtigsten Problemen in Deutschland und könne daher nur im nationalem Konsens stattfinden, betonte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Nach dem Ende des Prozesses solle der Atommüll am sichersten Standort gelagert werden. "Alle Beteiligten müssen hier aus der parteipolitischen Rolle herausfallen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU). Ideologie und Geographie dürften dabei keine Rolle spielen, es gehe allein um die Sicherheit.
Atomgegner kritisieren Treffen als "Placebo-Politik"
Die Bundesregierung hatte bereits im Zuge des Atomausstiegs im Sommer ein neues Gesetz zur Endlagersuche angekündigt. Mehrere Länder-Regierungsschefs, darunter außer Kretschmann und McAllister auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), sprachen sich bereits früher für eine Ausweitung der Suche auf weitere mögliche Standorte aus. Auch Röttgen plädierte zuvor für ein neues und transparentes Verfahren. Bisher wird nur Gorleben in Niedersachsen auf seine Eignung als Endlager erkundet, was Atomkraftgegner seit langem kritisieren.
Vertreter von Anti-Atom- und Umweltverbänden bewerteten das Treffen von Bund und Ländern zurückhaltend. Die Verabredung für eine neue Endlagersuche sei "nicht mehr als Placebo-Politik zur Beruhigung der Öffentlichkeit", erklärte Jochen Stay, Sprecher der Initiative Ausgestrahlt. Die erklärte Bereitschaft, über andere Standorte nachzudenken, ändere nichts an der Tatsache, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung versuche, Gorleben als Endlager durchzusetzen.
Die Umweltschutzorganisation BUND erklärte, von einem "seriösen Neuanfang" bei der Standortsuche könne erst gesprochen werden, wenn die Erkundungen in Gorleben gestoppt würden. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bezeichnete das Ergebnis angesichts fehlender konkreter Festlegungen als "Unverbindlichkeitserklärung".
Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth warnte, es dürfe "nicht erneut bei bloßen Ankündigungen der Bundesregierung bleiben". Ihre Partei erwarte, dass diese zügig ein Gesetz zur bundesweiten Endlagersuche vorlege und die "ewige Rumdrückerei" beende. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, forderte Röttgen auf, endgültig auf Gorleben als Endlager zu verzichten. Der Vize-SPD-Fraktionschef Ulrich Kelber erklärte, er hoffe, dass Schwarz-Gelb eine ergebnisoffene Suche zulasse. Röttgen habe bisher "nur Sprechblasen geliefert".