Wahlsieger CDU Fünf Lehren aus der Kommunalwahl in Thüringen

Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt
Landtagswahl in Thüringen: CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt (r.) will als Hauptkonkurrent des rechtsextremen Björn Höcke (AfD) wahrgenommen werden
© Michael Kappeler / DPA
Ist die AfD wirklich so stark, wie sie wirkt? Was wir aus der Kommunalwahl in Thüringen für das restliche Superwahljahr im Osten lernen können. 

So viel war am Sonntagabend schnell klar: Die "blaue Welle", die sich die AfD selbst prophezeit hatte, war nicht ganz so groß. Die Rechtsextremen legten zwar zu, dennoch darf sich nun vielerorts die CDU als Sieger feiern. Die Kommunalwahlen in Thüringen waren ein Stimmungstest für die drei Landtagswahl in Ostdeutschland im September. Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen für den Herbst ziehen? Ein Überblick. 

Der heimliche Sieger ist CDU-Mann Mario Voigt

Ein Gewinner der Kommunalwahl stand am Sonntag auf keinem Stimmzettel: Mario Voigt, der Chef der Thüringer CDU und Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Voigt freute sich über mehrere Oberbürgermeisterwahlen (Suhl, Altenburg, Weimar), die seine Partei auf Anhieb gewonnen oder bei denen sie gute Ausgangspositionen für die Stichwahl errungen hat (Erfurt). Dasselbe konstatierte er für einige Landkreise. Für Voigt persönlich mindestens genauso wichtig: Unterm Strich ging die CDU in der ersten Runde als stärkste Kraft aus den Kommunalwahlen hervor und kann wohl als einzige etablierte Partei neben der AfD bei der Gesamtzahl der Stimmanteile sogar leicht zulegen. 

Das ist für die Landtagswahlen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn Voigt, der erst vor zwei Jahren den zerstrittenen Thüringer Landesverband übernahm, setzt alles daran, als Hauptkonkurrent von AfD-Chef Björn Höcke wahrgenommen zu werden. Um fehlende Bekanntheit auszugleichen, riskierte Voigt ein direktes Fernsehduell mit Höcke. Das fand Beachtung – und mit dem Ergebnis vom Sonntag kann Voigt nun behaupten, dass es auch genützt hat. Bisher hat sich das nur in Umfragen angedeutet, jetzt hat es erstmals ein konkretes Wahlergebnis gezeigt. 

Sollte sich die Landtagswahl im September zu einer Auseinandersetzung "Alle gegen Höcke" entwickeln, hätte Voigt nun gute Chancen, dass sich auch Thüringer, die sonst andere Parteien wählen, hinter Voigt und der CDU versammeln. Dieser Effekt hatte unter anderem schon dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, 2021 zu einem deutlichen Wahlsieg verholfen. Er trat allerdings auch mit dem Amtsbonus an. Den hat Voigt nicht.

Ein Ramelow-Effekt ist nicht zu sehen

Apropos Amtsbonus. In Thüringen regiert Bodo Ramelow, der erste und einzige Ministerpräsident der Linken. Daran muss man nach diesem Wahlsonntag vielleicht noch einmal kurz erinnern. Denn genützt hat die Bekanntheit des Landesvaters seiner Partei wenig. Die Linke hat überall im Land ordentlich verloren, die Krise setzt sich fort. Die Wahlergebnisse in den Städten und Gemeinden sind ein ernüchterndes Stimmungsbild für Ramelow, der gerne fünf weitere Jahre regieren möchte.

In der jüngsten Umfrage zur Landtagswahl kam die Linke auf 16 Prozent. Schon das wäre eine deutliche Niederlage verglichen mit den 28,2 Prozent von 2019. Nach der Kommunalwahl muss die Partei nun fürchten, dass es noch viel schlimmer kommt. In vielen Städten und Landkreisen lag die Linke weit unter 16 Prozent. Bei der Wahl der Kreistage und Stadträte der kreisfreien Städte etwa kam sie nur auf 8,4 Prozent.

Wagenknechts Start gelingt

Die Krise der Linken hängt auch mit ihr zusammen: Sahra Wagenknecht, 54, Ex-Politikerin der Linken, inzwischen Gründerin und Parteichefin des nach ihr benannten "Bündnis Sahra Wagenknecht", kurz: BSW. Die Umfragen der vergangenen Monate zeigten bereits, dass Wagenknecht vor allem in Ostdeutschland Chancen hat, das Parteiensystem durcheinander zu bringen. In Thüringen ist ihr nun ein erster Achtungserfolg gelungen, wenn auch ein kleiner. 

In Bleichrode, Landkreis Nordhausen, etwas mehr als 10.000 Einwohner, hat sich der BSW-Kandidat im ersten Wahlgang durchgesetzt. Robert Henning erhielt 56,6 Prozent und ist nun der erste Bürgermeister in Wagenknechts Reihen. Nach eigenen Angaben war die neue Partei in vier Landkreisen sowie mit fünf Stadtrats- und Bürgermeisterkandidaturen angetreten. Sie erreichte teilweise zweistellige Ergebnisse. Spätestens jetzt ist klar: Das BSW wird im Herbst wohl eine wichtige Rolle spielen können. 

Die AfD hat ein Personalproblem 

Thüringen galt als Testfall, die Kommunalwahlen als erste Stichprobe im Superwahljahr, ob die AfD tatsächlich so stark ist, wie sie wirkt. Also? Die Rechtsextremisten legten zwar stark zu. Doch bei Direktwahlen schwächelten sie.    

So verzeichnet die AfD bei den Kreistags- und Stadtratswahlen insgesamt ein sattes Plus (+8,7 Prozent) im Vergleich zu 2019, ist in neun von insgesamt 22 Kreistagen und Stadträten nun stärkste Kraft – im Saale-Orla-Kreis liegt die AfD bislang gleichauf mit der CDU.  

Derweil konnten die AfD-Kandidaten in keiner Personalwahl (Landrat, Oberbürgermeister, Bürgermeister) einen Sieg in der ersten Runde einfahren. Insgesamt haben zehn von 13 angetretenen AfD-Kandidaten die Stichwahl erreicht. Im Landkreis Altenburger Land lag der AfD-Kandidat mit 33 Prozent der abgegebenen Stimmen vorne. Die Köpfe der Konkurrenz, vorwiegend der CDU, gehen aber zumeist mit dem stärkeren Ergebnis in die zweite Runde.  

Unterm Strich hat die AfD, die vor elf Jahren gegründet wurde, also zugelegt. Sie hat aber ein Personalproblem. 

Tabubruch in Süd-Thüringen – ein Neonazi als Landrat?

Seit Juni 2023 stellt die AfD im südthüringischen Sonneberg mit Robert Sesselmann ihren ersten Landrat in Deutschland – seine Wahl hatte selbst über Deutschland hinaus für Aufsehen gesorgt. Nun der nächste Tabubruch: Der bekannte Neonazi Tommy Frenck hat es im Landkreis Hildburghausen in die Stichwahl um den Landratsposten geschafft (24,9 Prozent), den CDU-Kandidaten Dirk Lindner (24,7) knapp hinter sich gelassen – wenngleich Sven Gregor für die Freien Wähler (42,4) weitaus mehr Stimmen auf sich versammelte. Auffällig: Die AfD hatte keinen eigenen Kandidaten gegen Frenck aufgestellt. 

Frencks Kandidatur hatte schon vor der Kommunalwahl für Irritationen gesorgt. Der Verfassungsschutz stuft seine Wählergemeinschaft "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BHZ) als "führenden neonazistischen Gruppierung" im Landkreis ein. Er betreibt einen rechtsextremistischen Versandhandel und organisierte Neonazi-Konzerte mit tausenden Teilnehmern. Zugelassen wurde Frenck vom Wahlausschuss trotzdem – und greift jetzt nach dem Landratsamt.