Eine Statistik sollte Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Finale gegen Real Madrid Sorge bereiten: Seit in der Saison 1992/93 der Europapokal der Landesmeister in Champions League umbenannt wurde, stand der spanische Klub achtmal im Finale – und gewann achtmal. Das ist eine beindruckende Bilanz, die zeigt: Real Madrid beherrscht den größten Klubwettbewerb der Welt wie kein anderer Verein. Insgesamt setzten sie sich seit der Saison 1954/55, als der Landesmeister-Pokal das erste Mal ausgetragen wurde, 14 Mal Europas Krone auf – so häufig wie kein anderes Team.
Borussia Dortmund kommt immerhin auf einen Titel. Unter Trainer Ottmar Hitzfeld gewannen die Schwarz-Gelben 1997 den Henkelpott. 2013 erreichten sie ein zweites Mal das Finale. Dort unterlagen sie bekanntermaßen dem FC Bayern München. Nun hat der BVB die dritte Chance, sich zum besten Verein Europas aufzuschwingen. Aber wie groß ist sie und welche Schwächen hat Real? Ein Vergleich der Mannschaften.
Real Madrid und der BVB in Zahlen
Trainer
Es ist ein Duell der Generationen. Edin Terzic, 41 Jahre alt, ist mit einer Unterbrechung erst zweieinhalb Jahre Cheftrainer beim BVB. So gesehen ist er fast noch ein Anfänger, weil Dortmund gleichzeitig seine erste Profistation ist. Im Dezember 2020 übernahm er das Amt von Lucien Favre und gewann in der Saison den DFB-Pokal. Dann trat er zunächst ab, um zur Saison 2022/23 erneut zu übernehmen. In der vergangenen Saison wurde er Vize-Meister, diesmal führte er den BVB als Außenseiter in das Champions-League-Finale.
Sein Gegenüber Carlo Ancelotti, 64 Jahre alt, ist seit 29 Jahren Cheftrainer und hat es in dieser Zeit zum erfolgreichsten Trainer der Welt gebracht. Er gewann vier Champions-League-Titel (zwei mit dem AC Milan, zwei mit Real Madrid) und wurde in den vier größten Ligen (Spanien, England, Deutschland, Italien) jeweils Meister. Markenzeichen sind Kaugummikauen und die hochgezogene, rechte Augenbraue.
Taktik
Das Problem für BVB-Trainer Edin Terzic ist, dass sein Pendant Carlo Ancelotti sehr variabel spielen lässt. Reals Grundordnung besteht in einem 4-4-2-System. Das sagt aber nichts darüber aus, ob die Spanier mit einer Raute im Mittelfeld spielen oder mit zwei Sechsern. Und es sagt nichts darüber aus, wie oft Real mit aggressivem Pressing agiert oder sich eher fallen lässt. Das Pressing gehört zumindest nicht zu den Spezialitäten des spanischen Meisters. Zuletzt hat Ancelotti es häufiger spielen lassen. Es bietet dem BVB die Möglichkeit für schnelle Konter, wenn sie es schaffen, die Pressingkette zu überwinden, sei es spielerisch oder mit dem langen Ball in die Spitze. Mit den schnellen Außen Karim Adeyemi (Donyell Malen) oder Jadon Sancho verfügt der BVB über eine echte Waffe. In der Offensive lässt Ancelotti seiner Mannschaft viele Freiheiten. Hier versuchen Spieler wie Jude Bellingham oder Vinicius Jr. gern, die Innenverteidiger aus der Kette zu locken, so dass sich Räume für den Pass in die Tiefe bieten. Das gelang Real im Halbfinale gegen die Bayern beispielhaft mit Min-Jae Kim, der Vinicius Jr. ins Mittelfeld nachrannte und den Raum für den Pass von Toni Kroos öffnete.
Für den BVB, der mit einer 4-3-3 Grundordnung antritt, wird die Defensivarbeit besonders wichtig sein. Die Außenstürmer müssen kräftig mitarbeiten, so wie es zuletzt Karim Adeyemi mustergültig machte. Mit ihm wird aus der Vierer- eine Fünferkette. Die Dortmunder Offensivkräfte müssen aushelfen, um die Real-Angreifer im besten Fall zu doppeln. Spielt Dortmund selbst Pressing, wird aus der Grundordnung wie im Viertel- und Halbfinale meist ein 4-1-4-1, um vor allem das Zentrum dicht zu machen. Dabei ist wichtig, das die Absicherung in der Abwehr gelingt. Überwindet Real das Dortmunder Pressing, haben sie viel Platz für schnelle Angriffe. Das könnte den langsamen Mats Hummel in Bedrängnis bringen. Offensiv hat das Team von Edin Terzic gezeigt, dass es kombinationssicher ist, auch wenn Real tief steht. Mit Jadon Sancho, Adeyemi und Julian Brandt verfügt die Mannschaft über technisch versierte und schnelle Spieler, die in der Lage sind, eine Real-Abwehr um Antonio Rüdiger auszuhebeln. Schnelle Umschaltmomente sind ebenfalls ein Mittel (siehe auch oben).
Aufstellungen
In puncto Marktwert trennen die beiden Teams Welten. Doch es gibt eine gute Nachricht für den BVB: Aurélien Tchouaméni wird Real nicht zur Verfügung stehen. Damit fehlt im defensiven Mittelfeld einiges an Punch. Der französische Nationalspieler ist einer der besten Sechser der Welt. Auch die Torwartposition bei Real ist offen. Zuletzt ist Stammtorhüter Thibaut Cortois nach fast einjähriger Verletzungspause zurückgekehrt, wurde aber einmal ausgewechselt. Ob er wirklich fit und fähig ist, ein Champions-League-Finale zu spielen, lässt sich nicht sagen. Für ihn stand Andriy Lunin im Tor und machte einen super Job. Der Ukrainer leidet aber an einem Infekt, und wird höchstens nachreisen und vielleicht auf der Bank Platz nehmen. Das könnte die Chance für Kepa sein. David Alaba steht nach seinem Kreuzbandriss, der ihn ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt hat, wieder im Kader, wird aber vermutlich nicht spielen. Ansonsten stehen Ancelotti alle Spieler zur Verfügung. Schlüsselspieler sind Rüdiger, Kroos, Bellingham, Rodrygo und Vinicius Junior.
Real Madrid: Courtois - Carvajal, Rüdiger, Nacho, Mendy - Camavinga, Valverde, Kroos, Bellingham - Vinicius Jr., Rodrygo.
Beim BVB stehen Terzic bis auf Ramy Bensebaini und Julien Duranville alle Spieler zur Verfügung. Seine Schlüsselspieler sind Torwart Kobel, Hummels, Brandt, Sancho und mit Abstrichen Füllkrug. Der Ex-Bremer nimmt als Sturmspitze und Ballfestmacher eine zentrale Funktion in der Offensive ein.
BVB: Kobel - Maatsen, Schlotterbeck, Hummels, Ryerson - Can - Brandt, Sabitzer - Adeyemi, Sancho, Füllkrug