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Künstliche Intelligenz Was hinter dem Rekorddeal für Aleph Alpha steckt

Jonas Andrulis von Aleph Alpha
Jonas Andrulis ist einer der Gründer von Aleph Alpha
© Bernd Weißbrod / DPA
Die Rekordfinanzierung für die KI-Firma Aleph Alpha ist vor allem eins: eine Investition in die Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft. Aber reichen 500 Millionen. US-Dollar, um mit internationalen Konkurrenten mitzuhalten?

Schon die Choreographie von Aleph Alphas Verkündung lässt erahnen, dass es hier um eine Angelegenheit von nationalem Interesse gehen soll: Bei der Pressekonferenz zur neuen Finanzierungsrunde am Montag trat neben dem Gründer und den Investoren auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ans Rednerpult.

Ein Auftritt mit Symbolkraft: Dass ein amtierender Vizekanzler einem Start-up persönlich zum Funding gratuliert, hat es in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Die Ausnahme mag vielleicht an der Höhe der Finanzierung und der Prominenz der Investoren liegen, sicher aber am Thema: Künstliche Intelligenz.

Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha ist die bislang größte Hoffnung auf eine mächtige Künstliche Intelligenz "Made in Germany". Seine Sprach-KI Luminous gilt als deutsche Antwort auf ChatGPT. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die Server von Aleph Alpha stehen in Bayern – und versprechen daher Unabhängigkeit von amerikanischen Anbietern.

Finanzierung von Lidl-Mutter, Bosch und SAP

Das hat offenbar auch einige namhafte Investoren überzeugt. Bei der aktuellen Finanzierungsrunde kamen mehr als 500 Millionen US-Dollar zusammen, umgerechnet rund 466 Millionen Euro. Damit ist es schon jetzt eine der größten Finanzierungsrunden, die ein deutsches Start-up 2023 eingesammelt hat.

Bemerkenswert ist, dass sich fast ausschließlich deutsche Unternehmen an dem Deal beteiligt haben, darunter die Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland), der Maschinenbauer Bosch mit seinem Investmentarm Bosch Ventures, der Softwareriese SAP, der Medienkonzern Burda mit seiner Tochter Burda Principal Investments sowie die Berliner Beratungsfirma Christ&Company Consulting. Als ausländischer Investor stieß allein Hewlett Packard dazu.

Aleph Alpha hat Souveränität als Geschäftsmodell

Für die meisten Investoren dürfte die Beteiligung strategischer Natur sein. Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, etwa mit Blick auf automatisierte Fabriken oder intelligente Chatbots. Die Nachfrage nach entsprechenden Lösungen ist groß, doch das Misstrauen gegenüber amerikanischen Anbietern wie OpenAI, Microsoft oder Google ist bislang größer.

Das zeigt auch der zaghafte Umgang mit ChatGPT: Viele Dax-Konzerne haben die Sprach-KI des amerikanischen Anbieters OpenAI aus ihren Büros verbannt – zu groß ist offenbar die Sorge, dass sensible Daten abfließen könnten. In Zeiten von Krieg, Krisen und Lieferschwierigkeiten möchte man die Wertschöpfungskette für die eigenen Daten lieber in Europa behalten.

Genau hier setzt Aleph Alpha mit seiner Sprach-KI Luminous an – und verspricht Datenschutz und Sicherheit nach europäischen Standards. Im Gegensatz zu ChatGPT soll die KI zudem nachvollziehbar und transparent arbeiten.

"KI wird die Zukunft gestalten. Und es ist wichtig, dass wir diese Zukunft selbst in der Hand haben", sagt Aleph Alpha-Gründer Jonas Andrulis. Der Wirtschaftsingenieur kam 2019 aus dem Silicon Valley zurück, wo er für Apple gearbeitet hatte, und gründete das Start-up zusammen mit Samuel Weinbach. Heute hat die Firma 60 Mitarbeiter.

Effizienz-Boost für die Wirtschaft

Souveränität als Geschäftsmodell – diese Idee verbindet Aleph Alpha auch mit einem seiner größten Investoren: der Schwarz Gruppe. Der Neckarsulmer Konzern will vom biederen Handelsriesen zum Digitalunternehmen aufsteigen. Inzwischen gibt es mit Schwarz Digits eine eigene Sparte, die Cloud- und Cybersecurity-Lösungen für Industrie und Mittelstand am Markt platzieren will. Die KI von Aleph Alpha passe dazu "perfekt", sagt Rolf Schumann, Co-CEO von Schwarz Digits.

Künftig soll Künstliche Intelligenz auch in allen Sparten und Bereichen innerhalb der Schwarz Gruppe eingesetzt werden, von der Verwaltung über Handelsprozesse bis hin zur Produktion von Lebensmitteln und im Recycling.

Die Künstliche Intelligenz ist im Bereich der Sprachmodelle so weit fortgeschritten, dass einige Chatbots kaum noch vom Menschen zu unterscheiden sind. Apps für sogenannte virtuelle Freundinnen finden zunehmend Verbreitung. Stefan Fröde testet die KI-Angebote eine Woche lang.

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Auch beim Mitinvestor Bosch gibt es schon klare Vorstellungen, was eine strategische Allianz mit Aleph Alpha nützen könnte. Die beiden Unternehmen arbeiten derzeit an einem eigenen Chatbot namens BoschGPT, der auf der hauseigenen Wissens-Datenbank basiert und Mitarbeitern bei Fragen weiterhelfen soll.

Die Ideen, was Aleph Alphas Sprachmodell leisten könnte, gehen allerdings noch viel weiter. Angewandt auf Industriedaten des Mittelstands könnte die KI dabei helfen, Effizienzen zu heben oder sogar ganz neue Produkte zu entwickeln. Hier liegt laut Experten noch ein großer Wettbewerbsvorteil, denn den Rohstoff für solche Modelle – proprietäre Industriedaten – findet man nicht ohne Weiteres im Internet.

Wettbewerber haben tiefe Taschen

Nur – reicht das alles, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen?

Aleph Alphas Finanzierungsrunde über 500 Millionen US-Dollar ist ein beachtlicher Erfolg. Im Vergleich zur Kapitalausstattung der amerikanischen Konkurrenzen erscheint die Summe jedoch wiederum recht klein: Microsoft investierte dieses Jahr allein 10 Mrd. Dollar in den ChatGPT-Macher OpenAI – und Google hat erst kürzlich 2 Mrd. Dollar in das KI-Start-up Anthropic gesteckt, neben vielen anderen Investitionen.

Geld ist im Rennen um die führenden KI-Modelle entscheidend, denn letztendlich ist der Aufbau der darauf basierenden Technologie eine Materialschlacht. Dabei gilt: Bigger is better. Je mehr Grafikprozessoren man sich leisten kann, desto besser die Ausgangsposition. Die besten KI-Hochleistungsrechner von Nvidia aber kosten derzeit rund 200.000 Dollar pro Stück. Für einen KI-Supercomputer braucht man mindestens mehrere Hundert. Dazu kommen horrende Stromkosten.

Aleph Alpha will den materiellen Nachteil mit Effizienz ausgleichen. Ob das gelingt, ist von außen schwer zu beurteilen. Bislang veröffentlichte Testergebnisse seiner KI Luminous legen nahe, dass das Start-up durchaus mit Marktführer OpenAI mithalten kann. Und selbst wenn nicht: Eine zweit- oder drittbeste Lösung wäre womöglich immer noch besser als gar keine Alternative.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Capital.de.

Mitarbeit: Laura Eßlinger

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