Einen Pass zu verlieren war das geringste aller Übel - ein Notizbuch zu verlieren war eine Katastrophe." Diese Zeilen schrieb der britische #link;www.guardian.co.uk/books/2010/sep/19/bruce-chatwin-letters-review;Reiseschriftsteller Bruce Chatwin# (1940- 1989) in seinem Roman "Traumpfade" aus dem Jahr 1987. Mittlerweile haben die kleinen Bücher und Hefte aus Papier mächtig Konkurrenz bekommen. Viele nutzen längst ihr Smartphone, Tablet oder Notebook, um Ideen, Gedanken und Termine festzuhalten. Doch die klassischen Notizbücher sind nicht aus Buchhandlungen, Geschenkeläden und Schreibwarengeschäften verschwunden.
Der Markt dafür ist da, sagt Thomas Kirschmeier vom Marktanalyseinstitut Rheingold. "In einer Welt, in der fast jeder mit Smartphone, Tablet oder Notebook seine Termine verwaltet und sich Notizen macht, ist das der krasse Gegenentwurf." Das Analoge werde dem Digitalen entgegengesetzt. "Das ist eine Beruhigung des Alltags und führt zu einer geistigen Entschleunigung. Das wird gerne angenommen."
Auf dem Markt sind verschiedene Marken wie Paperblanks, Alpha Edition, Herlitz, Leuchtturm 1917, Ciak - und Moleskine. Der italienische Hersteller ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Am Mittwoch legte das Unternehmen ein erfolgreiches Börsendebüt auf dem Mailänder Parket hin. Ein Grund für den Erfolg der Italiener ist nach Einschätzung von Experten eine geschickte Werbestrategie.
Das Geschäft mit den großen Namen
"Moleskine ist das Erbe des legendären Notizbuches der Künstler und Intellektuellen der vergangenen zwei Jahrhunderte, von Vincent Van Gogh bis Pablo Picasso, von Ernest Hemingway bis Bruce Chatwin", schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite. "Die Verknüpfung mit prominenten Namen längst verstorbener Dichter und Denker führt einen zurück auf alte Werte", erläutert Kirschmeier. Markenexperte Oliver Hupp vom Marktforschungsunternehmen GfK sagt, das Entscheidende, um mit einem einfachen Produkt wie einem Notizbuch erfolgreich zu sein, sei, daraus einen Trend zu machen.
Den Anstoß dazu gab bei Moleskine Unternehmensangaben zufolge Maria Sebregondi. Die Italienerin griff demnach Chatwins Erzählung auf - und schlug dem kleinen Mailänder Verlag Modo & Modo vor, solche Notizbücher neu aufzulegen.
Chatwin schrieb in "Traumpfade", er habe seine Notizbücher in einer kleinen Pariser Buchhandlung gekauft - bis der Hersteller gestorben sei. Seine Erben hätten das Familienunternehmen verkauft - die Notizbücher gab es nicht mehr. "In Frankreich sind diese Notizbücher als carnets moleskines bekannt: "Moleskin" (wörtlich Maulwurfshaut) war in diesem Fall ihr schwarzer Wachstucheinband", schrieb Chatwin. "Die Seiten waren kariert, und die Vorsatzblätter wurden mit einem Gummiband festgehalten."
Digital ist tabu
Hinter Moleskine stehen die Finanzinvestoren Syntegra Capital und Index Ventures. Beteiligt sind auch Gründer Francesco Franceschi und das Management. Modo & Modo war 2006 von der SGCapital Europe gekauft worden, der heutigen Syntegra. Ein Jahr später war das Unternehmen in Moleskine umbenannt worden. Derzeit arbeiten rund 130 Menschen für das Unternehmen, das im vergangenen Jahr einen Umsatz von 78,1 Millionen Euro und einen Gewinn von rund 18 Millionen Euro für sich verbuchen konnte.
93 Prozent seines Umsatzes macht Moleskine mit Papierprodukten, also analogen Gegenständen. "Dazu passen traditionelle Dinge, die man für Büroarbeit und die private Terminverwaltung braucht - wie zum Beispiel hochwertige Kugelschreiber", sagt Kirschmeier. "Ich glaube, was Moleskine nicht machen darf, ist in die digitale Welt eintauchen."
Der Gang aufs Parkett endete am Mittwoch allerdings zweispätig. Kurz nach Handelsbeginn legte die Aktie am Mittwoch an der Mailänder Börse um zwei Prozent auf 2,346 Euro je Anteilsschein zu - entgegen dem Trend des Leitindexes FTSE Mib, der zum Handelsbeginn um 0,57 Prozent nachgab. Nach diesem freundlichen Auftakt schlossen die Kurse allerdings 0,9 Prozent schwächer bei 2,28 Euro, nachdem sie zu 2,30 Euro zugeteilt worden waren. Ein Wermutstropfen: Der entsprechende Aktienindex verlor mit 2,3 Prozent noch weitaus deutlicher. Moleskine nimmt durch die Ausgabe der Aktien rund 244 Millionen Euro ein.