Archaeopteryx
Archaeopteryx (aus altgriechisch ἀρχαῖος archaîos „uralt“ und πτέρυξ ptéryx „Flügel, Schwingen, Feder“) ist eine Gattung der Archosaurier, deren Fossilien in der Fränkischen Alb in den Solnhofener Plattenkalken aus dem Oberjura entdeckt wurden. Archaeopteryx gilt als Übergangsform, die zwischen frühen theropoden Dinosauriern und den Vögeln vermittelt. Da der etwa rabengroße Archaeopteryx in der Regel den Vögeln als ursprungsnahe Form zugerechnet wird, bezeichnet man die Gattungsmitglieder auch als Urvögel.
Archaeopteryx | ||||||||||||
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Archaeopteryx, Londoner Exemplar mit gut erhaltenen Federn | ||||||||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Oberjura (Tithonium) | ||||||||||||
152,1 bis 145 Mio. Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Familie | ||||||||||||
Archaeopterygidae | ||||||||||||
Huxley, 1871 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Archaeopteryx | ||||||||||||
von Meyer, 1861 | ||||||||||||
Arten | ||||||||||||
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Archaeopteryx wurde im Jahr 1861 von Hermann von Meyer auf der Grundlage eines isolierten Federabdrucks erstmals beschrieben. Das erste Skelettexemplar (das sogenannte Londoner Exemplar) wurde schon im selben Jahr entdeckt und ist in der Erstveröffentlichung erwähnt. Bis heute folgten mindestens 11 weitere, unterschiedlich vollständige Skelettfunde.
Merkmale
BearbeitenDie Gattung Archaeopteryx zeigt ein Mosaik aus (für Vögel) urtümlichen, das heißt reptilienhaften Merkmalen, die später von den modernen Vögeln (Neornithes) abgelegt wurden, und abgeleiteten, das heißt vogeltypischen Merkmalen (die jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur noch zum Teil als allein charakteristisch für Vögel gelten).
Urtümlich sind unter anderem das Vorhandensein von Zähnen und Bauchrippen (Gastralia), eine lange Schwanzwirbelsäule, eine relativ geringe Zahl unverschmolzener Beckenwirbel (Sakralia), unverschmolzene Mittelhand-, Mittelfuß- und Fußwurzel- und Beckenknochen, die drei Fingerklauen sowie das Fehlen eines knöchernen Brustbeins.
Zu den vogeltypischen Merkmalen kann man die modern anmutenden asymmetrischen Schwungfedern zählen, außerdem die zu einem Gabelbein verschmolzenen Schlüsselbeine und die rückwärts oder seitlich-rückwärts orientierte erste Zehe (Hallux) des Fußes (anisodactyler Vogelfuß).
Archaeopteryx erreichte etwa die Größe von Raben (ca. 50 cm Körperlänge) und ein Gewicht von 0,8 bis 1 kg.
Bedeutung
BearbeitenDie Vogel-Charakteristika des Urvogels sind auch für manche gefiederten Dinosaurier belegt oder, wie im Fall der revertierten ersten Zehe des Archaeopteryx, nicht unangefochten.[1] Deshalb sehen manche Paläontologen den Urvogel nicht als wesentlich vogelähnlicher an als manche theropoden Dinosaurier, die nicht den Vögeln zugerechnet werden (z. B. Microraptor).
Innerhalb der letzten 20 Jahre sind eine Vielzahl von Fossilien urtümlicher Vögel und vogelähnlicher Dinosaurier entdeckt worden, besonders in Sedimentgesteinen der Unterkreide von Nordostchina (der Jehol-Gruppe). Somit steht Archaeopteryx als Mosaikform nicht allein, sondern lässt sich in eine (morphologische, nicht zeitliche) Abfolge von Dinosauriern einordnen, die den Vögeln sukzessive ähnlicher werden.
Vertreter der Hypothese, der Schlagflug der Vögel sei aus dem Gleitflug von einem erhöhten Punkt herab entstanden, interpretieren die Krallen des Archaeopteryx als die eines Baumkletterers, der von den Ästen herabglitt.[2] Bei palökologischen Untersuchungen der Fundhorizonte kamen manche Forscher jedoch zu dem Schluss, dass am Bildungsort der Solnhofener Plattenkalke ein heißes und trockenes Klima geherrscht haben muss und wahrscheinlich keine Bäume vorkamen.[3][4] Im Gegenzug wiesen sie aber auf hohe Klippen an der Küste des Jurameeres hin, die als Startpunkt für erste Flugversuche in Frage kommen. Burgers und Chiappe zeigten, dass Archaeopteryx möglicherweise auch vom Boden starten konnte.[5]
Forschungen, die das elfte bisher bekannte Fossil mit dem bislang besterhaltenen Federkleid untersuchten, zeigen, dass Archaeopteryx vermutlich am ganzen Körper befiedert war. Lange Federn an den Beinen waren reihig angeordnet, sie hatten ihrer Gestalt nach vermutlich keine Funktion beim Fliegen (wie beim entfernt verwandten Microraptor vermutet), sie könnten aber, ähnlich wie die Federhosen der rezenten Greifvögel, beim Landen hilfreich gewesen sein. Das Federkleid diente wohl, ähnlich wie bei den verwandten Gruppen, nicht nur zum Fliegen, sondern auch zur Wärmeisolation, vermutlich hatte es auch Funktionen als Signalgeber an Artgenossen oder zur Tarnung. Besonderheit der zum Fliegen eingesetzten Schwungfedern ist ihre asymmetrische Fahne.[6]
Bedeutung für die Durchsetzung der Evolutionstheorie
BearbeitenCharles Darwin hatte in der von ihm entwickelten Evolutionstheorie 1859 vorhergesagt, dass es bei der Entwicklung neuer Arten Übergangsformen geben sollte, die noch Merkmale der alten, aber auch schon Merkmale der neuen Gruppe besitzen müssten. Als Darwin seine Theorie veröffentlichte, waren noch keine solchen Fossilien bekannt, sie wurden deshalb als fehlende Glieder (missing links) bezeichnet. Nur zwei Jahre später wurde das erste Skelettexemplar des Archaeopteryx gefunden.
Die Archaeopteryx-Funde waren der erdgeschichtlich früheste Beleg für Federn eines Wirbeltiers. Dass sie bereits deutliche Merkmale von Vögeln, aber auch noch solche von Reptilien bzw. Sauriern besaßen, machte Archaeopteryx zu einem wichtigen Indiz für die Richtigkeit der Darwinschen Evolutionstheorie. Der Streit über die Evolutionstheorie wurde damit auch zu einer Auseinandersetzung um Archaeopteryx.
Richard Owen verfasste die erste Beschreibung des Londoner Exemplars (siehe Abbildung oben). Er lehnte die Evolutionstheorie ab und vermied peinlich genau jeden Hinweis auf die mögliche Deutung als vermittelndes Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln.
Fossilfunde
BearbeitenBisher wurden zwölf mehr oder weniger gut erhaltene Skelette der Gattung Archaeopteryx sowie eine einzelne Feder gefunden. Sämtliche Exemplare stammten aus den Schichten des oberen weißen Jura in den Steinbrüchen bei Eichstätt, Solnhofen, Langenaltheim, Jachenhausen bei Riedenburg und Schamhaupten. Der Abdruck der einzelnen Feder wurde 1860 entdeckt, das erste Skelett 1855 („Haarlemer Exemplar“) und das bisher letzte Exemplar 2011. Dabei handelt es sich um folgende Stücke (geordnet nach dem Zeitpunkt, an dem der jeweilige Fund erstmals als Archaeopteryx erkannt wurde):
1. „Die Feder“, entdeckt 1860 im Gemeindesteinbruch Solnhofen und 1861 beschrieben von dem Frankfurter Wirbeltier-Paläontologen Hermann von Meyer (1801–1869), der den heute noch gültigen Gattungsnamen Archaeopteryx prägte, war der erste bekannt gewordene Fund.[7] Der eine Teil des Abdrucks befindet sich im Museum für Naturkunde in Berlin, die andere Seite im Paläontologischen Museum in München. Es ist umstritten, ob die isolierte Feder tatsächlich von Archaeopteryx stammt. Da es sich bei dem Federabdruck um den Holotypus von Archaeopteryx litographica handelt, war die Stabilität dieses bekannten Namen gefährdet. Um dieses Problem zu lösen und die Art Archaeopteryx litographica eindeutig zu definieren, hat die Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur 2011 das sogenannte Londoner Exemplar zum neuen Typus erklärt. Eine Anfang 2019 publizierte Neuuntersuchung der Feder ergab, dass sie nicht von Archaeopteryx stammt, sondern von einem anderen Urvogel oder von einem kleinen, befiederten Nichtvogel-Dinosaurier.[8][9] Dem wurde im September 2020 widersprochen. Forscher verglichen die Feder mit den entsprechenden Federn von drei der weitgehend kompletten Fossilien und wiesen nach, dass die Feder vom rechten Flügel eines Archaeopteryx stammt. Dunkle Pigmente in der Feder sind zudem ein Hinweis darauf, dass sie ursprünglich schwarz war.[10]
2. Das „Londoner Exemplar“, gefunden 1861 auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen, gehört zu den drei bedeutendsten Exemplaren. Es war der erste vollständige Fund eines Skeletts und ist das Typus-Exemplar der Art Archaeopteryx lithographica. Wenige Monate nach dem Fund erwarb das Londoner Natural History Museum (damals noch zum British Museum gehörend) das Exemplar von seinem Besitzer, dem Pappenheimer Kreisarzt Carl Friedrich Häberlein (1787–1871). Treibende Kraft des Ankaufs war dabei der britische Naturforscher Richard Owen, damals Leiter der naturhistorischen Sammlung des Britischen Museums und erklärter Gegner von Darwins Theorien.
3. Das „Berliner Exemplar“ (gefunden zwischen 1874 und 1876 auf dem Blumenberg bei Eichstätt), gilt mit seinen deutlichen Federabdrücken und einem erhaltenen Schädel als das wahrscheinlich schönste und vollständigste Stück. Der Finder Jakob Niemeyer tauschte den Fund für eine Kuh im Wert von 150 bis 180 Mark ein. Der neue Besitzer Johann Dörr, ein Steinbruchbesitzer, veräußerte es für 2.000 Mark an Ernst Otto Häberlein (1819–1886) aus Pappenheim, den Sohn des Verkäufers des Londoner Exemplars, der den Fund auch präparierte. Zunächst interessierten sich die Bayrische Staatssammlung und die Yale-Universität für das Fundstück, doch konnten beide den hohen Kaufpreis nicht aufbringen. Selbst eine Bitte deutscher Zoologen an Kaiser Wilhelm I. war erfolglos.[11] Schließlich und auf Anfrage durch Wilhelm Dames erwarb Werner von Siemens das Exemplar 1879 für 20.000 Mark und übergab es als Dauerleihgabe dem Mineralogischen Museum der Humboldt-Universität zu Berlin. Zwei Jahre später erstattete die Universität dem Leihgeber Siemens den Kaufpreis. Das Exemplar gehört seitdem dem Museum für Naturkunde in Berlin und ist dort seit 2007 dauerhaft ausgestellt.
4. Das „Maxberger Exemplar“ (1956 auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen), ist ein Torso mit einigen Federabdrücken. Es befand sich bis zum Tod seines Entdeckers Eduard Opitsch 1991 in dessen Privatbesitz und gilt seitdem als verschollen.
5. Das „Haarlemer Exemplar“ (1855 in Jachenhausen bei Riedenburg) wurde schon 1855, also fünf Jahre vor der Feder gefunden, aber erst 1970 durch John Ostrom Archaeopteryx zugeordnet. Dieses Exemplar war durch Hermann von Meyer 1860 als Pterodactylus crassipes klassifiziert worden, daher hätte sein Artname crassipes gemäß den Prioritätsregeln der Benennung von Fossilien den Namen lithographica ersetzen müssen. Dies wurde durch energischen Einsatz von Ostrom verhindert. Das Fragment ist in Besitz des Teylers Museum, Haarlem. Eine Ende 2017 publizierte Neuuntersuchung des Fossils ergab, dass es sich nicht um Archaeopteryx handelt, sondern um einen Theropoden, der nah mit Anchiornis verwandt ist, einem kleinen, vogelähnlichen, aber nicht flugfähigen Dinosaurier. Er wurde unter dem wissenschaftlichen Namen Ostromia beschrieben.[12][13]
6. Das „Eichstätter Exemplar“ (1951 in Workerszell bei Eichstätt) galt zunächst als kleiner Raubdinosaurier Compsognathus, wurde 1973 wiederentdeckt und 1974 von Peter Wellnhofer beschrieben. Das Stück befindet sich im Besitz des Jura-Museums in Eichstätt.
7. Das „Solnhofener Exemplar“ wurde in den 1960er-Jahren von einem türkischen Gastarbeiter in der Nähe von Eichstätt entdeckt und zunächst ebenfalls als Compsognathus fehlbestimmt, 1988 aber durch Peter Wellnhofer beschrieben. Es befindet sich im Bürgermeister-Müller-Museum zu Solnhofen. Dazu entschied 2001 das Oberlandesgericht Nürnberg, dass das Fossil nicht an einen Steinbruchbesitzer herausgegeben werden muss, der behauptet hatte, es sei 1985 aus seinem Besitz entwendet worden. Die Abweisung der Klage ist zwar mittlerweile rechtskräftig, doch ist die tatsächliche Herkunft immer noch nicht restlos geklärt.
8. Das „Exemplar des Solnhofener Aktienvereins“ (gefunden im Sommer 1992 in einem Steinbruch der Solnhofer Aktien-Verein AG auf der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen) kann im Paläontologischen Museum in München besichtigt werden. 1993 wurde der Fund von Peter Wellnhofer als neue Art Archaeopteryx bavarica in die Wissenschaft eingeführt. Die schönen Federabdrücke und das sehr gut erhaltene Skelett ermöglichten zahlreiche neue Erkenntnisse. Die von Wellnhofer als Brustbein beschriebene Struktur hat sich allerdings nach neueren Untersuchungen als Teil des Rabenbeins erwiesen.[14] Die möglicherweise doch recht guten Flugfähigkeiten bleiben dabei allerdings erhalten, da das Brustbein wohl als verknorpelte Struktur vorhanden war. Auch zahlreiche Details des Schädels, des Kiefers und des Schwanzes des elstergroßen Urvogels öffneten neue Blickwinkel auf die Evolution der Vögel. Durch diese Besonderheiten gehört dieser letzte große Fund zweifellos zu den drei bedeutendsten, manche halten ihn sogar für schöner als das Berliner Exemplar.
9. Ein sehr fragmentarischer, neunter Fund (Exemplar Nr. 8) war seit 1997 nur durch einen Abguss dokumentiert, und lange Zeit waren Besitzer und Aufbewahrungsort unbekannt. 2009 präsentierte der Fossilienhändler Raimund Albersdörfer das von ihm erworbene Exemplar auf den Münchner Mineralientagen erstmals der Öffentlichkeit.[15][16] Das Fossil wurde Ende der 1980er Jahre auf dem Gemeindegebiet von Daiting gefunden.[17]
10. Im Jahr 2004 wurde über einen weiteren, ebenfalls fragmentarischen Fund berichtet, der sich jetzt im Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen befindet.
11. Das „Thermopolis-Exemplar“ wurde 2005 vom Besitzer des Wyoming Dinosaur Center in Thermopolis gekauft und unter anderem von Gerald Mayr untersucht, die Ergebnisse wurden in der Science-Ausgabe vom Dezember 2005 veröffentlicht.[1] Herausragend an dem neuen Exemplar ist neben seinem äußerst guten Erhaltungszustand die Tatsache, dass erstmals der Kopf von oben zu sehen ist und der Mittelfußknochen einen nach oben gerichteten Fortsatz aufweist.
12. Im Jahr 2011 wurde erstmals das 11. Exemplar der Öffentlichkeit präsentiert, das bereits vor mehreren Jahrzehnten im Raum Eichstätt entdeckt worden war. Es zeichnet sich durch eine besonders gute Federerhaltung – ähnlich dem „Berliner Exemplar“ – aus. Ein Münchner Paläontologen-Team der Ludwig-Maximilians-Universität/Bayer. Staatssammlung für Paläontologie und Geologie stellte die weitreichenden Ergebnisse in der Nature-Ausgabe vom Juli 2014 vor (mit Archaeopteryx als Titelbild).[18][19]
13. Das bislang letzte (12.) Exemplar wurde 2010 von einem Finder, dessen Name geheim gehalten wird, in einem Erlebnissteinbruch in Schamhaupten im Landkreis Eichstätt am Ostrand des Köschinger Forstes entdeckt. Mit einem Alter von 153 Millionen Jahren ist es vermutlich das bisher älteste Archaeopteryx-Exemplar. Noch im Besitz des Finders, wird das Fossil von den Eigentümern des Steinbruchs beansprucht, um es musealen Zwecken zuzuführen. Es wird im Museum des im August 2016 eröffneten Dinosaurier-Park Altmühltal,[20] etwa 10 km vom Fundort entfernt, ausgestellt.[21][22][23][24]
Die meisten der Archaeopteryx-Exemplare zeigen eine verkrümmte Halswirbelsäule.[25] Diese typische Rückwärtskrümmung bildete sich erst nach dem Tode der Tiere im Wassergrab heraus.[26]
Äußere Systematik
BearbeitenÄußere Systematik des Archaeopteryx | ||||||||||||||||||||||||||||||
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Nach Benton liegen innerhalb der Paraves diese Verwandtschaftsverhältnisse vor. Benton (2005)[27] |
Archaeopteryx wird in der Regel als der urtümlichste Vogel definiert, das heißt, alle Arten, die mit den Modernen Vögeln (Neornithes) entfernter verwandt sind als Archaeopteryx, gelten als den Vögeln nicht zugehörig.[28] Unter den mesozoischen Vögeln gibt es manche, die nur wenig näher mit den heutigen Vögeln verwandt sind als Archaeopteryx:[29][30] Rahonavis und Jeholornis haben mit Archaeopteryx unter anderem den langen knöchernen Schwanz gemein, den höher entwickelte Vögel (Pygostylia) abgelegt haben.
Innerhalb der theropoden Dinosaurier gelten die Deinonychosaurier als nahe Verwandte der Vögel – beide Gruppen werden in der übergeordneten Gruppe Paraves (Eumaniraptora) zusammengefasst.[28][27] Ein Merkmal, das die Deinonychosaurier mit Archaeopteryx und Rahonavis verbindet, ist die überdehnbare („hyperextensible“) zweite Klaue des Fußes.[31] Federn mit einer geschlossenen Federfahne waren vermutlich bereits bei den Vorfahren der Paraves ausgeprägt.[32]
Es gibt eine Anzahl stammesgeschichtlicher Analysen, die zu abweichenden Ergebnissen bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse vogelähnlicher Deinonychosaurier und urtümlicher Vögel gelangen. Nach der Hypothese von Mayr u. a. waren manche gefiederten Dromaeosauriden wie Microraptor näher mit den Pygostylia verwandt als Archaeopteryx; in der Gruppe der Vögel wäre demnach der Vogelflug womöglich mehrfach unabhängig voneinander entstanden.[1]
Kritiker der Dinosaurier-Abstammung der Vögel meinen, die Ähnlichkeit der Urvögel zu theropoden Dinosauriern sei auf massive konvergente Evolution zurückzuführen. Nach Feduccia u. a. (2005) seien die Vögel aus einer noch zu bestimmenden Gruppe urtümlicher Archosaurier hervorgegangen, während Microraptor und andere gefiederte Dinosaurier in Wirklichkeit keine Dinosaurier, sondern frühe Formen flugunfähiger Vögel darstellten.[33]
Archaeopteryx und Xiaotingia
BearbeitenAlternative äußere Systematik | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Äußere Systematik nach Xing Xu [34] |
Der Einbezug eines 2011 aufgrund neuer Fossilfunde benannten Archaeopteryx-ähnlichen Dinosauriers der spätjurazeitlichen Tiaojishan-Formation (Liaoning, China) in eine stammesgeschichtliche Analyse führte dazu, dass die bisher angenommenen Verwandtschaftsverhältnisse von Archaeopteryx angezweifelt wurden. Die Analyse ergab, dass Archaeopteryx zusammen mit der neuen Gattung Xiaotingia, die in manchen Merkmalen Deinonychosauriern gleicht, näher mit den Deinonychosauriern als mit späteren Vögeln verwandt gewesen sein könnte.[34]
Dieser Hypothese zufolge wäre Archaeopteryx, je nach Definition der Gruppe der Vögel, entweder nicht den Vögeln zugehörig, oder die Vögel schlössen auch die Deinonychosaurier mit ein.
Innere Systematik
BearbeitenOb die Archaeopteryx-Funde einer oder mehreren Arten angehören, ist seit der Erstbeschreibung des Berliner Exemplars kontrovers diskutiert worden, was sich in der Häufung synonymer Gattungs- und Artnamen, die für dieselben Exemplare vergeben und wieder revidiert wurden, widerspiegelt.[35][36]
Elzanowski ordnete in seinen Revisionen die damals bekannten Exemplare vier verschiedenen Arten zu, wobei er für das Solnhofener Exemplar, das seiner Ansicht nach anatomisch besonders deutlich von den anderen abweicht, die Zugehörigkeit zu einer eigenen Gattung vorschlug:[37][38]
- Archaeopteryx lithographica, Neotypus: Londoner Exemplar;
- Archaeopteryx siemensii, Holotypus: Berliner Exemplar;
- Archaeopteryx bavarica, Holotypus: Münchener Exemplar;
- Wellnhoferia grandis, Holotypus: Solnhofener Exemplar.
Der Befund, dass die bisher bekannten Archaeopteryx-Exemplare nicht einer einzigen Art angehören, wird von Mayr u. a. (2007) bestätigt.[31] In ihrer Beschreibung des Thermopolis-Exemplars vergleichen sie den bislang letzten Fund mit vormals bekanntem Fossilmaterial von Archaeopteryx. Entgegen der Analyse von Elzanowski kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass die bestehenden Unterschiede der zehn Skelettfunde nicht mehr als zwei Arten rechtfertigen:
- Archaeopteryx lithographica, Neotypus: Londoner Exemplar, ebenfalls zugehörig: Solnhofener Exemplar;
- Archaeopteryx siemensii, Holotypus: Berliner Exemplar, ebenfalls zugehörig: Münchener Exemplar, Thermopolis-Exemplar.
2018 wurde auf Grundlage des Daitinger Exemplars, des geologisch jüngsten Archaeopteryx-Exemplars, die neue Art Archaeopteryx albersdoerferi errichtet.[39]
Literatur
Bearbeiten- Patricio Domínguez Alonso, Angela C. Milner, Richard A. Ketcham, M. John Cookson, Timothy B. Rowe: The avian nature of the brain and inner ear of Archaeopteryx. In: Nature. Band 430, Nr. 7000, 2004, S. 666–669, doi:10.1038/nature02706.
- Gerold Bielohlawek-Hübel: Wer fand den Urvogel? (Die Geschichte des Archaeopteryx aus dem Altmühljura). Forumverlag, Riedstadt 2004, ISBN 3-937316-08-6.
- Ludger Bollen: Der Flug des Archaeopteryx. Auf der Suche nach dem Ursprung der Vögel. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2008, ISBN 978-3-494-01421-0.
- Paul Chambers: Die Archaeopteryx-Saga. Das Rätsel des Urvogels. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8077-0139-7.
- Eva Gebauer: 10 × Archaeopteryx. Was uns die einzelnen Funde erzählen! (= Museumspädagogische Reihe der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Band 1). Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-929907-77-3.
- Manfred Meckl: Archaeopteryx. Ein befiederter Dinosaurier wird als Stammvater der Vögel entlarvt. (Eine paläontologische Detektivgeschichte). Braun, Fürstenfeldbruck 1995, ISBN 3-00-000444-0.
- Lawrence M. Witmer: Palaeontology: Inside the oldest bird brain. In: Nature. Band 430, Nr. 7000, 2004, S. 619–620, doi:10.1038/430619a.
- Peter Wellnhofer: Archaeopteryx. Der Urvogel von Solnhofen. Pfeil, München 2008, ISBN 978-3-89937-076-8.
- Ernst Probst: Raubdinosaurier in Bayern. Von Archaeopteryx bis zu Sciurumimus. Leipzig 2019, ISBN 978-1-698-05588-6.
Weblinks
Bearbeiten- Der Archaeopteryx – Funde – Wissenschaftler – Vogelevolution…
- Das Hirn zum Fliegen
- Mathias Orgeldinger: Akte „Alte Feder“ In: Die Zeit. 26/1997.
- Die Geschichte von Archaeopteryx ( vom 5. März 2006 im Internet Archive)
- Archaeopteryx bei der Encyclopædia Britannica
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Gerald Mayr, Burkhard Pohl, D. Stefan Peters: A Well-Preserved Archaeopteryx Specimen with Theropod Features. In: Science. Band 310, Nr. 5753, 2. Dezember 2005, ISSN 0036-8075, S. 1483–1486, doi:10.1126/science.1120331.
- ↑ Derek W. Yalden: Climbing Archaeopteryx. In: Archaeopteryx. Band 15, 1997, ISSN 0933-288X, S. 107–108.
- ↑ Günter Viohl: Geology of the Solnhofen Lithographic Limestone and the habitat of Archaeopteryx. In: Max K. Hecht, John H. Ostrom, Günter Viohl, Peter Wellnhofer (Hrsg.): The Beginnings of Birds. Proceedings of the International Archaeopteryx Conference, Eichstätt 1984. Freunde des Jura-Museums Eichstätt, Eichstätt 1985, ISBN 3-9801178-0-4, S. 31–44, S. 33–34.
- ↑ Karl Werner Barthel, Nicola H. Swinburne: Solnhofen. A study in Mesozoic palaeontology. Edited by Simon Conway Morris. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1990, ISBN 0-521-33344-X.
- ↑ Phillip Burgers, Luis M. Chiappe: The wing of Archaeopteryx as a primary thrust generator. In: Nature. Band 399, Nr. 6731, Mai 1999, ISSN 0028-0836, S. 60–62, doi:10.1038/19967.
- ↑ Christian Foth, Helmut Tischlinger, Oliver W. M. Rauhut: New specimen of Archaeopteryx provides insights into the evolution of pennaceous feathers. In: Nature. Band 511, Nr. 7507, 3. Juli 2014, ISSN 0028-0836, S. 79–82, doi:10.1038/nature13467.
- ↑ 'Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognosie, Geologie und Petrefaktenkunde. 1861' - Digitalisat | MDZ. Abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Nadja Podbregar: Archaeopteryx-Feder ist gar keine. 5. Februar 2019, abgerufen am 30. Januar 2024 (deutsch).
- ↑ Thomas G. Kaye, Michael Pittman, Gerald Mayr, Daniela Schwarz, Xing Xu: Detection of lost calamus challenges identity of isolated Archaeopteryx feather. Scientific Reports, Band 9, 2019, Artikel-Nummer: 1182, doi: 10.1038/s41598-018-37343-7
- ↑ Ryan M. Carney, Helmut Tischlinger, Matthew D. Shawkey: Evidence corroborates identity of isolated fossil feather as a wing covert of Archaeopteryx. Scientific Reports, Band 10, 2020, Artikel-Nummer: 15593, doi: 10.1038/s41598-020-65336-y
- ↑ Ludger Bollen: Der Flug des Archaeopteryx. 2008, S. 54.
- ↑ M. V. S. Import: Erster Archaeopteryx ist gar keiner. 4. Dezember 2017, abgerufen am 30. Januar 2024 (deutsch).
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- ↑ Peter Wellnhofer, Helmut Tischlinger: Das „Brustbein“ von Archaeopteryx bavarica Wellnhofer 1993. In: Archaeopteryx. Band 22, 2004, S. 3–15.
- ↑ Süddeutsche de GmbH, Munich Germany: Aktuelle Nachrichten und Kommentare. Abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Paläontologie: Archaeopteryx Nummer acht kehrt zurück - WELT. 4. Oktober 2015, abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Gloria Brems: Archäologischer Sensationsfund aus Daiting. Abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Martine Focke: Urvogel Archaeopteryx. In: palmuc.de. 3. Juli 2014, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. März 2015; abgerufen am 2. Mai 2015.
- ↑ Christian Foth, Helmut Tischlinger, Oliver W. M. Rauhut: New specimen of Archaeopteryx provides insights into the evolution of pennaceous feathers. In: Nature. Band 511, Nr. 7507, 3. Juli 2014, ISSN 0028-0836, S. 79–82, doi:10.1038/nature13467.
- ↑ Dinosaurier Museum Altmühltal (Dinopark Bayern) | Urzeit in Lebensgröße! Abgerufen am 30. Januar 2024 (deutsch).
- ↑ Alle Augen auf den Archaeopteryx - Region Kelheim - Mittelbayerische. 26. August 2016, archiviert vom ; abgerufen am 30. Januar 2024.
- ↑ Stefan Küpper: Eine „fette Taube“. In: augsburger-allgemeine.de. 2. März 2014, abgerufen am 28. August 2016.
- ↑ Ältestes Archaeopteryx-Fossil – Spektakulärer Fund kommt in Ausstellung. In: n-zv.de Wissen. 24. August 2016, abgerufen am 28. August 2016.
- ↑ Sebastian Herrmann: "Fossiliensammler findet bei Ingolstadt bislang ältestes Archäopteryx-Skelett". In: Süddeutsche Zeitung online. 26. Januar 2018, abgerufen am 29. Januar 2018.
- ↑ Peter Wellnhofer: Archaeopteryx. Der Urvogel von Solnhofen. 2008.
- ↑ Achim G. Reisdorf, Michael Wuttke: Re-evaluating Moodie’s Opisthotonic-Posture Hypothesis in Fossil Vertebrates Part I: Reptiles—the taphonomy of the bipedal dinosaurs Compsognathus longipes and Juravenator starki from the Solnhofen Archipelago (Jurassic, Germany). In: Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments. Band 92, Nr. 1, März 2012, ISSN 1867-1594, S. 119–168, doi:10.1007/s12549-011-0068-y.
- ↑ a b Michael J. Benton: Vertebrate Palaeontology. 3. Auflage. Blackwell, Malden MA 2005, ISBN 0-632-05637-1.
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- ↑ Luis Chiappe: Basal bird phylogeny, problems and solutions. In: Luis M. Chiappe, Lawrence M. Witmer (Hrsg.): Mesozoic Birds. Above the Heads of the Dinosaurs. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2002, ISBN 0-520-20094-2, S. 448–472.
- ↑ Zhonghe Zhou: The origin and early evolution of birds: discoveries, disputes, and perspectives from fossil evidence. In: Naturwissenschaften. Band 91, Nr. 10, Oktober 2004, ISSN 0028-1042, S. 455–471, doi:10.1007/s00114-004-0570-4.
- ↑ a b Gerald Mayr, Burkhard Pohl, Scott Hartman, D. Stefan Peters: The tenth skeletal specimen of Archaeopteryx. In: Zoological Journal of the Linnean Society. Band 149, Nr. 1, Januar 2007, ISSN 1096-3642, S. 97–116, doi:10.1111/j.1096-3642.2006.00245.x.
- ↑ Xing Xu: Scales, feathers and dinosaurs. In: Nature. Band 440, Nr. 7082, März 2006, ISSN 0028-0836, S. 287–288, doi:10.1038/440287a.
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