Johannes Weinrich (Terrorist)

deutscher Terrorist der Revolutionären Zellen

Johannes Weinrich (* 21. Juli 1947 in Brakel) ist ein deutscher Terrorist. Er ist ehemaliges Mitglied der Revolutionären Zellen sowie der Organisation Internationalistischer Revolutionäre („Carlos-Gruppe“). Er gilt als die ehemalige rechte Hand des Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, der Schakal. Seine Anschläge forderten bis zu 20 Todesopfer und es wurden etwa 100 Menschen verletzt.[1] Im Jahre 2000 wurde er wegen eines 1983 in Berlin verübten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Weinrich wuchs in der Kleinstadt Schwerte bei Dortmund als Sohn eines Oberstudienrates auf.[1][2] Nach dem Abitur im Herbst 1966 am Max-Planck-Gymnasium Dortmund studierte er an der Ruhr-Universität Bochum und war dort SDS- und AStA-Mitglied. Er gründete die Politische Buchhandlung GmbH Bochum, den linken Kollektivbuchladen, in der Overbergstraße nahe der Universität. Nach seinem Umzug nach Frankfurt arbeitete Weinrich beim Verlag Roter Stern. Im Verlag lernte er Wilfried Böse kennen, mit dem zusammen er, immer noch offen im Verlag arbeitend, die Revolutionären Zellen gründete. 1975 tauchten sie unter, gingen in ein Guerilla-Ausbildungslager der palästinensischen PFLP und verlegten den Schwerpunkt ihrer Aktionen von Deutschland-spezifischen auf internationale Anschläge unter der Führung von Wadi Haddad.

In den späten 1970er Jahren schloss sich Weinrich der von Carlos aufgebauten Gruppe an und begann, als bezahlter Terrorist zu arbeiten. Er und Carlos nahmen dabei Geld von verschiedenen Geheimdiensten an, darunter der rumänischen Securitate, und finanzierten damit einen luxuriösen Lebensstil; Muammar al-Gaddafi zahlte eine Million US-Dollar jährlich.[1]

Tatvorwürfe

Bearbeiten

Er wird bis heute zahlreicher Anschläge in Frankreich, Griechenland und anderswo verdächtigt, die nur teilweise zur Anklage kamen, darunter:[3]

  • der Raketenbeschuss einer Boeing 707 der israelischen Fluggesellschaft El Al auf dem Flughafen Paris-Orly am 13. Januar 1975,
  • ein Bombenanschlag auf den Sender Radio Freies Europa in München am 21. Februar 1981,
  • ein Bombenanschlag in der Pariser Innenstadt vor dem Gebäude, in dem die Zeitschrift Watan-al-Arabi ihren Sitz hatte (1 Toter) am 22. April 1982,
  • ein Anschlag auf den saudi-arabischen Botschafter in Athen am 13. April 1983
  • ein Bombenanschlag im Bahnhof Marseille-Saint-Charles (2 Tote) und
  • ein Bombenanschlag auf den TGV-Hochgeschwindigkeitszug „Valenciennes“ (3 Tote) am 31. Dezember 1983

Prozesse

Bearbeiten

Weinrich wurde am 4. Juni 1995 im Jemen verhaftet und unmittelbar darauf nach Deutschland ausgeflogen. Am 17. Januar 2000 wurde er nach vierjährigem Prozess[1] für einen Anschlag auf das Kulturzentrum Maison de France vom 25. August 1983 mit einem Toten und 23 Verletzten zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde. 25 Kilogramm Sprengstoff hatten die beiden obersten Stockwerke zerstört und ein 26-jähriger linker Demonstrant, der eine Protestresolution gegen Frankreich im Konsulat überreichen wollte, wurde getötet. 23 Menschen wurden verletzt.[4] Der ehemalige Stasi-Oberstleutnant Helmut Voigt, seinerzeit Leiter der Abteilung XXII (der Terrorabwehr des MfS), wurde wegen Tatbeteiligung an diesem Anschlag (Beihilfe zum Mord) zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.[5] Der syrische Diplomat Nabil Chretah, damals Mitarbeiter der syrischen Botschaft in Ost-Berlin, wurde wegen Beihilfe zum Mord von der gleichen Schwurgerichtskammer wie Weinrich ebenfalls am 17. Januar 2000 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Wegen einer Anklage auf sechsfachen Mord im Zusammenhang mit drei Bombenanschlägen 1982 und 1983 in Frankreich musste sich Weinrich ab Frühjahr 2003 vor dem Landgericht Berlin verantworten, bis er im August 2004 aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde.[6] Eine von der französischen Justiz wegen der Anschläge vom Dezember 1983 beantragte Auslieferung wurde im Dezember 2009 vom Berliner Kammergericht als unzulässig abgelehnt.[7] Im ab November 2011 in Paris auch gegen die Mitangeklagten „Carlos“ Illich Ramírez Sánchez, Christa Fröhlich und Ali Kamal al-Issawi geführten Strafprozess wurde Weinrich im Dezember 2011 in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.[8]

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d Oliver Schröm: Der Assistent des Schakals. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. August 2004, abgerufen am 10. Februar 2014.
  2. Kerstin Gehrke: Der Terrorist aus dem Salon. In: Tagesspiegel. 7. März 2003 (archive.org).
  3. Wolfgang Gast: Eine Spur des Terrors durch Europa, in: taz.de vom 5. März 2003, abgerufen am 7. Oktober 2015
  4. Jörn Hasselmann: Im Dienste des Schakals. tagesspiegel.de, 25. August 2008, abgerufen am 10. Februar 2014
  5. 11 Jahre nach dem Terroranschlag auf Maison de France erhält Ex-MfS-Offizier Voigt vier Jahre Haft - und wird freigelassen Stasi und Carlos im "Kampf gegen den Klassenfeind". 12. April 1994
  6. Terrorist Weinrich: Freigesprochen und doch in Haft, in: Süddeutsche.de vom 25. August 2004, abgerufen am 16. Juli 2014
  7. Auslieferung von Terrorist Weinrich abgelehnt. in: morgenpost.de vom 22. Dezember 2009, abgerufen am 16. Juli 2014
  8. Berüchtigter Terrorist: "Carlos" muss lebenslang ins Gefängnis, in: Spiegel Online vom 16. Dezember 2011, abgerufen am 11. August 2014