Beşparmak Dağları
Beşparmak Dağları
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landsat-Aufnahme der Beşparmak Dağları und des Bafa-Sees | |
Der Bafa-See mit Herakleia am Latmos | |
Höchster Gipfel | Tekerlek Dağı (1374 m) |
Lage | Provinz Muğla, Türkei |
Koordinaten | 37° 31′ N, 27° 35′ O |
Die Beşparmak Dağları (deutsch Fünf-Finger-Berge, auch Batı Menteşe Dağları, in der Antike Latmosgebirge) sind ein Gebirge in der türkischen Provinz Muğla. Es beginnt nordöstlich des Bafa-Sees am Tal des Großen Mäanders und zieht sich nach Südosten bis östlich von Milas, wo es in die Marçal Dağları übergeht. Im Osten liegt das Tal des Çine Çayı, im Westen der Bafa-See und der Bergzug des İlbir Dağı. Höchste Erhebung ist der Tekerlek Dağı,[1] der antike Latmos, nahe dem Ostufer des Sees mit 1374 m.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie aus den Felsmalereien im Latmos-Gebirge, die Anneliese Peschlow 1994 zusammen mit Volker Höhfeld[3] entdeckte, hervorgeht, war das Gebiet schon im Chalkolithikum besiedelt[4]. Zumindest Teile des Latmos gehörten in der Zeit des hethitischen Großreichs im 2. Jahrtausend v. Chr. zum Königreich Mira, wovon die ebenfalls von Peschlow entdeckte Felsinschrift am Suratkaya zeugt. In der Antike gehörte das Gebirge zur Region Karien. Bis zum vierten Jahrhundert n. Chr. lag es noch am Meer, da der heutige Bafa-See als Latmischer Meerbusen mit der Ägäis verbunden war. Erst dann wurde die Bucht durch die Ablagerungen des Mäander (Büyük Menderes) von der offenen See abgeschnitten. Die antike Stadt Herakleia am Latmos am Ostende des Bafa-Sees war damit im vierten Jahrhundert v. Chr. die Grenzfestung an der Nordgrenze des Herrschaftsbereichs von Halikarnassos unter König Maussolos. Im Latmos liegt auf 700 m Höhe das karische Heiligtum Labraunda, das ebenfalls zu Halikarnassos gehörte[5], am Südwesthang der Ort Euromos. Strabon erwähnt den Berg und die Stadt Herakleia in seinen Geographika.[6] Nach seiner Ansicht ist es der Berg, der in Homers Ilias als Φθειρῶν ὄρος (Berg der Phthirer, Pinienkernberg oder Fichtenberg, je nach Übersetzung) erwähnt wird.[7] In byzantinischer Zeit war das Gebirge Rückzugsgebiet für christliche Mönche und Einsiedler, wovon das Stylos-Kloster zeugt, wo Ende des 13. Jahrhunderts die letzten Mönche vergeblich Widerstand gegen die Seldschuken leisteten.[8] Danach war das Gebirge verlassen, bis türkische Nomaden begannen, hier ihre Herden weiden zu lassen.
Geologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das aus Augengneisen des Menderes Massivs, granitischen Intrusionen und metamorphen Schiefern mit eingebettetem Marmor bestehende[9] Gebirge ragt in Zacken- und Zinnenform empor, was zu dem türkischen Namen führte. Zu den vorkommenden Formen zählen auch Höhlen, die von Einsiedlern als Wohnstätten genutzt wurden, sowie Wollsackverwitterungen und Tafonibildungen.[10] Bei der Verwitterung des Gneis entsteht Quarzsand, der zum See hinabgespült wird und sich dort in feinkörnigen Quarzdünen ablagert.[11]
Flora und Fauna
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Beşparmak Dağları haben partiell nur spärliche Vegetation. Sie besteht größtenteils aus stark von Ziegen verbissenen niedrigen Büschen von Kermeseichen. In höheren Lagen sind Reste von Kiefernwäldern und ausgedehnten Pinienwäldern[12] zu finden, aus denen Pinienkerne gewonnen werden. Die Bewohner kultivieren auf vielen Hangpartien und Flachbereichen Olivenbäumen und halten Bienenvölker für die Honigproduktion.[13]
In den Ruinen, am Seeufer sowie in den Olivenhainen findet man Hardune, auf den spärlich bewachsenen Böden die Schlangenaugeneidechse (Orphisops elegans) und die nur in der Türkei vorkommende Südwestanatolische Eidechse (Anatololacerta oertzeni). In höheren Lagen kommen Stachelschweine vor, und es gibt eine kleine Population von Braunbären.[11]
Ökologische Probleme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit über einem Vierteljahrhundert laufen Bestrebungen, Teile des Beşparmak-Berglandes zum Nationalpark erklären zu lassen, um dort eine weitere und endgültige Zerstörung wertvoller kulturhistorischer Relikte in einer der reizvollsten Naturlandschaften der Türkei zu verhindern. Es sind in erster Linie Begehrlichkeiten der privaten und staatlichen türkischen Bergbauwirtschaft an Rohstoffgewinnung für die Keramik-Industrie, die die Ökologie des Gebirges bedrohen. Bereits Mitte des 1990er Jahre waren Wissenschaftler mit dem Bemühen an die UNESCO herangetreten, die archäologischen Funde und die natürliche landschaftliche Schönheit des Latmos unter Schutz zu stellen. Der Erfolg war begrenzt: 1994 wurden lediglich ein 12.281 ha großer Uferstreifen um den 60 km² großen Bafasee sowie das benachbarte Mäanderdelta als Teile des „Naturparks Aydın“ zum Landschaftsschutzgebiet Bafa Gölü Tabiat Parkı erklärt.[14]
1984 hatte man im Latmos mit der Anlage von Feldspat-, Quarz- und Marmorminen begonnen, und von 2004 bis 2014 beschleunigte sich der Bergbau erheblich. Von 1984 bis 2018, vor allem aber in den letzten 14 Jahren, wurden im Latmos durch Minen-Aktivitäten insgesamt 3800 ha Gelände zerstört, 1500 ha durch Feldspat-Quarzit-Steinbrüche, 1390 ha durch Marmorbrüche und 900 ha durch den Braunkohleabbau.[15] Allein in den letzten Jahren, in denen der Abbau aufgrund von Anreizen für den Bergbau und Steuersenkungen stark zugenommen hat, wurden in dieser Region bis 2012 sieben neue Feldspat-Steinbrüche für Rohstoffe der Glas-, Keramik, Schweißelektroden- und Lackindustrie eröffnet.[16] Laut Nachrichten in türkischen Zeitungen[17][18] wurde bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung wegen Kapazitätsausbau von Feldspat-, Quarz- und Quarzit-Minen im Latmos festgestellt: Alle Dörfer in der Region haben dadurch ernsthafte Probleme verschiedenster Art.
Erste massive Demonstrationen gegen Raubbau an den Natur- und Kulturgütern des Latmos starteten unter dem Motto „Rettet den Latmos“ im November 2012.[19] Trotz heftiger Proteste aus der Bevölkerung[20][21], von Umweltverbänden[22], nationalen und internationalen Wissenschaftsvertretern und aus dem türkischen Gesundheitswesen[23], trotz wiederholter Antragstellung an die UNESCO und an staatliche türkische Stellen[24] und trotz gezielter wissenschaftlicher Untersuchungen, die den rasanten Fortschritt der Umweltzerstörung durch bergbauliche Tätigkeiten offenlegen[15] konnte ein nachhaltiger Bergbaustopp im Latmos bislang nicht erreicht werden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Anneliese Peschlow: Der Latmos. Eine unbekannte Gebirgslandschaft an der türkischen Westküste. von Zabern, Mainz 1996 (Zaberns Bildbände zur Archäologie/Sonderhefte der Antiken Welt), ISBN 3-8053-1994-0.
- Anneliese Peschlow: Frühe Menschenbilder. Die prähistorischen Felsmalereien des Latmos-Gebirges (Westtürkei). von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3001-4.
- Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seine Umgebung (= Global Studies Working Papers of the Tübingen Institute of Geography 37). Tübingen 2017 (Digitalisat).
- Hans Lohmann (Hrsg.): Feldforschungen im Latmos. Forschungen im Umland von Herakleia am Latmos (= Asia Minor Studien 93). Habelt, Bonn 2019, ISBN 978-3-7749-4214-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Deutsches Archäologisches Institut – Latmos-Region
- Frühe Menschenbilder – Die frühen Felsmalereien des Latmos-Gebirges in der Westtürkei
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Höhfeld, Volker: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos : ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seine Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Tübingen Institute of Geography, Tübingen 2017, OCLC 1001517396, S. 8.
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seine Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Institute of Geography, Tübingen 2017, S. 8.
- ↑ Volker Höhfeld: Kulturlandschaftswandel im Latmos (Beşparmak, Südwest-Türkei). Ein Beitrag zur genetischen Siedlungsforschung in einem Bergland Westanatoliens. In: Hans Lohmann (Hrsg.): Asia Minor Studien. Band 93. Habelt-Verlag, Bonn 2019, ISBN 978-3-7749-4214-1, S. 3 f.
- ↑ Frank Kolb: Chora und Polis. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2004 S. 328 ISBN 978-3-486-56730-4 bei GoogleBooks
- ↑ Marianne Mehling (Hrsg.): Knaurs Kulturführer in Farbe Türkei. Droemer-Knaur, 1987, ISBN 3-426-26293-2, S. 236.
- ↑ Geographika XIV 1,8 bei GoogleBooks
- ↑ Homer, Ilias, II 868 bei GoogleBooks
- ↑ Frank Rainer Schreck: Türkei – die Westküste. DuMont Reiseverlag, 2005 S. 173–175 ISBN 978-3-7701-6026-6 bei GoogleBooks
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seiner Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Institute of Geography, Tübingen 2017, S. 8–23.
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geographischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seiner Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Institute of Geography, Tübingen 2017, S. 14–19.
- ↑ a b Aygün und Max Kasparek: Reiseführer Natur Türkei. BLV Verlagsgesellschaft, München Wien Zürich 1990 S. 74–76 ISBN 3-405-14030-7
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seiner Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Institute of Geography, Tübingen 2017, S. 6.
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seiner Umgebung. In: Volker Höhfeld (Hrsg.): Global Studies Working Papers. Band 37. Institute of Geography 3, Tübingen 2017, S. 146–175.
- ↑ Volker Höhfeld: Herakleia – Stadt und Landschaft des Latmos. Ein historisch-geografischer Leitfaden durch das Latmos-Gebirge und seine Umgebung. Hrsg.: Volker Höhfeld. Global Studies Working Papers Band 37. Tübingen Institute of Geography, Tübingen 2017, S. 5.
- ↑ a b M. Gül, M., K. Zorlu &. M. Gül: Assessment of mining impacts on environment in Muğla-Aydın (SW Turkey) using Landsat and Google Earth imagery. In: Environmental Monitoring and Assessment. Band 191, Nr. 11, 2019, S. 1–18.
- ↑ Beşparmak Dağları’ndaki 8 bin yıllık resimler taşocaklarında mıcır olacak. In: T24 Internet Gazetesi. 30. Oktober 2012, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).
- ↑ Özer Akdemir: Beşparmak’ta on yara! In: Evrensel Gazetesi. 16. Mai 2017, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).
- ↑ Dünyanın hayran kaldığı “Latmos” yeni bir tehdit altında. In: Yeşil Gazete. 19. Oktober 2017, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).
- ↑ Anneliese Peschlow-Bindokat: Das Latmos-Gebirge / Beşparmak. Eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft vor dem Untergang. (PDF) 2013, abgerufen am 15. März 2020.
- ↑ Aydın Tabip Odası Beşparmak Dağları’ndaki Kanser Vakalarını Araştırdı. In: Havadıs Gazetesi. 27. Mai 2015, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).
- ↑ Söke halkı Beşparmak Dağı’na yeni maden ocakları açılmasına karşı çıktı. In: Cumhurriyer Gazetesi. 20. März 2020, abgerufen am 20. März 2020 (türkisch).
- ↑ Retten Sie die größten Pinienwälder der Türkei! In: NABU. 2014, abgerufen am 15. März 2020.
- ↑ Aydın Tabip Odası Beşparmak Dağları’ndaki Kanser Vakalarını Araştırdı. In: Hürriyet Aydın Haberleri. 27. Mai 2015, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).
- ↑ Beşparmak Dağları’nın Milli Park Statüsünü Alınması İsteniyor. In: Haberler Gazetesi Aydın. 7. November 2006, abgerufen am 15. März 2020 (türkisch).