Großer Preis von Belgien 1947

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der X. Große Preis von Belgien – und gleichzeitig VIII. Große Preis von Europa – war ein Autorennen, das am 29. Juni 1947 auf dem Circuit de Spa-Francorchamps stattfand. Als Grande Épreuve wurde das Rennen nach den Bestimmungen der Internationalen Grand-Prix-Formel – später Formel 1 – (Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum mit Kompressor oder bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor; Renndistanz mindestens 300 km bzw. mindestens drei Stunden Renndauer) über 35 Runden à 14,066 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 507,5 km entsprach.

Sieger wurde Jean-Pierre Wimille auf Alfa Romeo Tipo 158 „Alfetta“.

Nach dem Dreifacherfolg im Großen Preis der Schweiz war die Werksmannschaft von Alfa Romeo mit ihren vier überragenden Alfa Romeo Tipo 158 und dem hervorragend besetzten Fahrerquartett aus Jean-Pierre Wimille, Achille Varzi, Carlo Felice Trossi und Consalvo Sanesi natürlich auch auf dem schnellen Kurs von Spa-Francorchamps – einem der großen Grand-Prix-Klassiker – wieder klar favorisiert. Obendrein waren zu dem Rennen, das zum dritten Mal in seiner Geschichte gleichzeitig auch unter dem Ehrentitel als Großer Preis von Europa ausgetragen wurde, vom veranstaltenden belgischen Automobilclub Royal Automobile Club de Belgique (RACB) insgesamt nur sechs Maserati 4CL zur Teilnahme eingeladen worden, von denen jedoch nur drei Exemplare mit Raymond Sommer und den beiden Schweizern Christian Kautz und Emmanuel de Graffenried am Steuer zum Rennen erschienen. Zusammen mit dem einzigen zu dieser Zeit existierenden echten Grand-Prix-Monoposto von Lago-Talbot, dem sogenannten Monoplace Centrale der Ecurie France mit Altmeister Louis Chiron am Steuer waren dies die einzigen Konkurrenten im Feld, die wenigstens noch Außenseiterchancen besaßen. Immerhin waren angesichts der Zeitumstände in den Nachkriegsjahren im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis des RACB zu dem Rennen auch Privatfahrer zur Teilnahme eingeladen worden, um überhaupt ein angemessenes Teilnehmerfeld zusammenzubekommen.

Die Dominanz der „Alfettas“ war so deutlich, dass Rennleiter Giovanbattista Guidotti wie üblich bereits vor dem Rennen die Entscheidung gefällt hatte, welchem seiner Piloten der Sieg zustehen sollte. Damit wollte er angesichts der starken Rivalitäten seiner Piloten allzu heftigen Duellen auf der Strecke vorbeugen, um so den Rennsieg nicht zu gefährden. Nachdem Wimille in Bern der Vortritt gelassen worden war, war hier in Belgien nun Achille Varzi vorbestimmt, den insgesamt dritten Erfolg seiner Karriere in einem Grande Épreuve einzufahren.

Eine Besonderheit des Belgischen Grand Prix war, dass die Startaufstellung nicht wie ansonsten mittlerweile allgemein üblich anhand der jeweils im Training erzielten Rundenzeiten ermittelt wurde, sondern – wie auch die Teilnehmerliste selbst – vom Veranstalter nach eigenem Gutdünken festgelegt wurde. Auf den Rennverlauf hatte dies jedoch keine allzu großen Auswirkungen, den mit Wimille und Varzi starteten die beiden schnellsten Alfa-Romeo-Piloten ohnehin nebeneinander aus der ersten Startreihe.

Unmittelbar nach Freigabe des Rennens war es dann jedoch zur allgemeinen Überraschung einmal mehr Raymond Sommer, der sich mit seinem unterlegenen Maserati hinter dem führenden Alfa Romeo von Varzi auf Rang zwei einreihen und seine Position im Pulk der Alfetta rundenlang behaupten konnte. Trossi wurde in dieser Phase von einem Stein im Gesicht getroffen und musste zwecks ärztlicher Behandlung die Boxen ansteuern, wo er seinen Alfa Romeo deswegen für einige Runden an den höchstpersönlich auch als Reservefahrer gemeldeten Guidotti übergab. In der Zwischenzeit konnten sich in der vierten und der fünften Runde Wimille und Sanesi schließlich doch an Sommer vorbeikämpfen, der jedoch umgehend konterte und dabei zumindest den dritten Platz von Sanesi wieder zurückeroberte. In der 14. Runde musste er sein Rennen jedoch mit einem Bruch im Chassis dann endgültig beenden, so dass die Alfa-Romeo-Fahrer nun einmal mehr den Rennsieg wieder völlig unter sich ausmachen konnten. Spätestens damit hätte nun die vorgegebene Stallorder eigentlich greifen sollen. Wimille begann jedoch trotzdem, den als Sieger vorgesehenen Varzi zu attackieren, und übernahm schließlich im Verlauf der 16. Runde auch die Führung. Wenig später verlor Varzi durch einen Reparaturstopp wegen einer gebrochenen Ölleitung zudem eine ganze Runde, so dass er keine Möglichkeit hatte, dem ihm eigentlich zustehenden Erfolg noch zu erringen. Stattdessen musste er sich geschlagen geben und hinter Wimille mit dem zweiten Platz vor dem ins Cockpit zurückgekehrten Trossi begnügen. Seine Verärgerung über den untreuen Mannschaftskollegen hielt er bis zu seinem Tod im Training zum Großen Preis der Schweiz 1948 aufrecht.

Für Alfa Romeo wäre in Belgien sogar ein Vierfachsieg möglich gewesen, wenn nicht noch in der vorletzten Runde wurde der bis dahin drittplatzierte Sanesi durch einen technischen Defekt gestoppt worden wäre. So ging der vierte Platz bei insgesamt nur sieben gewerteten Teilnehmern an die britische Fahrerpaarung Bob Gerard und Cuth Harrison, die sich am Steuer ihres altehrwürdigen ERA während des Rennens abgewechselt hatten.

Meldelistea

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Italien Alfa Corse 02 Italien Carlo Felice Trossib Alfa Romeo 158 Alfa Romeo 1.5L I8 Kompressor
04 Italien Achille Varzi
06 Italien Consalvo Sanesi
08 Frankreich Jean-Pierre Wimille
Italien Giovanbattista Guidotti RES
Frankreich R. Sommer 10 Frankreich Raymond Sommer Maserati 4CL Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Italien Scuderia Ambrosiana 12 Italien Luigi Villoresi DNA Maserati 4CL(T)c Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich I. Connell & K. Evans 14 Vereinigtes Konigreich Ian Connell DNA Maserati 6CM Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Italien Scuderia E. Platé 16 Schweiz Emmanuel de Graffenried Maserati 4CL(T) Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
18 Schweiz Christian Kautz
Frankreich Écurie France 20 Monaco Louis Chiron Talbot-Lago T26 „Monoplace Centrale“ Talbot-Lago T26 4.5L I6
32 Frankreich Yves Giraud-Cabantous Talbot-Lago T26SS „Coursifée“d
34 Frankreich Eugène Chaboude Delahaye 135S „Coursifée“ Delahaye 3.6L I6
36 Belgien Émile Cornete
38 Fahrer nicht benannt DNA
Frankreich Écurie Rosier 22 Frankreich Louis Rosier Talbot-Lago T150SS „Coursifée“ Talbot 4.0L I6
Frankreich Écurie Gersac 24 Frankreich Maurice Trintignant Delage Type D 6-3 Litres Delage 3.0L I6
26 Frankreich „Pierre Levegh“
28 Frankreich Henri Louveau
FrankreichFrankreich Société SIMEN 30 Frankreich Benoît Falchetto SIMEN-Bugatti Type 35/50B „Spéciale“ Bugatti 4.5L I8
Vereinigtes Konigreich L. Johnson 40 Vereinigtes Konigreich Leslie Johnson Talbot-Lago T150C „Coursifée“ Talbot 4.0L I6
Vereinigtes Konigreich P. Whitehead 42 Vereinigtes Konigreich Peter Whitehead ERA B-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
Vereinigtes Konigreich B. Gerard 44 Vereinigtes Konigreich Bob Gerardg ERA C-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
44 Vereinigtes Konigreich Cuth Harrison RES
Thailand White Mouse Stableh 46 Thailand „B. Bira“ DNSi ERA B-Type ERA 1.5L I6 Kompressor
a 
Der Belgische Grand Prix von 1947 war ein Einladungsrennen
b 
Während des Rennens vorübergehend durch Guidotti am Steuer abgelöst.
c 
Bei Maseratis aktueller Baureihe wurden die bisherigen Profilträger im Chassis nun durch einen Rohrrahmen (Italienisch: „tubolare“) ersetzt, einige Fahrzeuge wurden außerdem mit Motoren mit zweistufiger Kompressoraufladung ausgerüstet. Ansonsten entsprach die Konstruktion wie auch die Formgestaltung jedoch dem ursprünglichen Modell, wie auch die Typbezeichnung 4CL weiterhin beibehalten wurde.
d 
Giraud-Cabantous war ursprünglich mit einem Delahaye 135 gemeldet.
e 
Die Meldung für Chaboud war ursprünglich noch durch die Écurie France erfolgt. Zum Zeitpunkt des Rennens hatte er das Team jedoch bereits im Streit verlassen und trat nun für die von ihm selbst mitbegründeten Écurie Lutetia mit seinem eigenen Auto an.
f 
Die Meldung für Cornet war ursprünglich noch durch die Écurie France erfolgt. Aufgrund der Umbrüche im Team wurde das Auto dann jedoch von Chabouds Écurie Lutetia eingesetzt.
g 
Während des Rennens Auto an Harrison übergeben.
h 
Das Team gab seine Meldungen verschiedentlich unter White Mouse Stable, Prince Chula of Siam oder durch „B. Bira“ persönlich ab.
i 
Nach Motorschaden im Training nicht zum Rennen angetreten.

Startaufstellunga

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Italien Varzi
5:18,6 min
Frankreich Wimille
5:17,8 min
Monaco Chiron
5:50,5 min
Italien Trossi
5:30,2 min
Frankreich Sommer
5:38,2 min
Italien Sanesi
5:27,0 min
Schweiz Kautz
5:44,1 min
Vereinigtes Konigreich Whitehead
(unbekannt)
Frankreich Giraud-Cabantous
(unbekannt)
Vereinigtes Konigreich Johnson
(unbekannt)
Schweiz de Graffenried
(unbekannt)
Frankreich Chaboud
(unbekannt)
Belgien Cornet
(unbekannt)
Frankreich „Pierre Levegh“
(unbekannt)
Vereinigtes Konigreich Gerard
(unbekannt)
Frankreich Louveau
(unbekannt)
Frankreich Trintignant
(unbekannt)
Frankreich Rosier
(unbekannt)
a 
Die Positionen in der Startaufstellung wurden nicht wie üblich anhand der im Training erzielten Rundenzeiten bestimmt, sondern vom Veranstalter nach internen Kriterien festgelegt
Pos. Nr. Fahrer Konstrukteur Runden Zeit Ausfallgrund
1 8 Frankreich Jean-Pierre Wimille Italien Alfa Romeo 35 3:18:28,64 h
2 4 Italien Achille Varzi Italien Alfa Romeo 34 + 1 Runde
DNF 6 Italien Consalvo Sanesi Italien Alfa Romeo 34 Motordefekt
3 2 Italien Carlo Felice Trossi/
Italien Gianbattista Guidotti
Italien Alfa Romeo 33 + 2 Runden
4 44 Vereinigtes Konigreich Bob Gerard/
Vereinigtes Konigreich Cuth Harrison
Vereinigtes Konigreich ERA 32 + 3 Runden
5 24 Frankreich Maurice Trintignant Frankreich Delage 31 + 4 Runden
6 22 Frankreich Louis Rosier Frankreich Talbot 30 + 5 Runden
7 40 Vereinigtes Konigreich Leslie Johnson Frankreich Talbot 29 + 6 Runden
DNF 28 Frankreich Henri Louveau Frankreich Delage 18
DNF 32 Frankreich Yves Giraud-Cabantous Frankreich Talbot 17 Verlust eines Rades
DNF 36 Belgien Émile Cornet Frankreich Delahaye 15 Motordefekt
DNF 10 Frankreich Raymond Sommer Italien Maserati 15 Chassisdefekt
DNF 18 Schweiz Christian Kautz Italien Maserati 13 Motordefekt
DNF 20 Monaco Louis Chiron Frankreich Talbot 8 Pleuel
DNF 42 Vereinigtes Konigreich Peter Whitehead Vereinigtes Konigreich ERA 6 Zündung
DNF 16 Schweiz Emmanuel de Graffenried Italien Maserati 6 Kolben
DNF 30 Frankreich Benoît Falchetto Frankreich Bugatti 3 Getriebe
DNF 26 Frankreich „Pierre Levegh“ Frankreich Delage ?
DNF 34 Frankreich Eugène Chaboud Frankreich Delahaye ?
DNS 46 Thailand „B. Bira“ Vereinigtes Konigreich ERA 0 nicht gestartet (Motordefekt im Training)

Schnellste Rennrunde: Frankreich Jean-Pierre Wimille (Alfa Romeo), 5:17,8 min = 164,2 km/h

Commons: Automobilsport 1947 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien