Haus der Frau von Stein

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Südfront des Hauses der Frau von Stein (2006)

Das Haus der Frau von Stein ist ein barockes Wohngebäude an der Südostgrenze der Altstadt von Weimar. Hier wohnte 50 Jahre Goethes Freundin Charlotte von Stein (1742–1827), was dem Haus den Namen gab.

Das Haus der Frau von Stein ist eine mit ihrer Hauptfront nach Süden orientierte zweigeschossige Dreiflügelanlage mit sehr kurzen Seitenflügeln. Die Länge über alles beträgt etwa 45 Meter[1], auf die sich fünfzehn Fensterachsen verteilen. Die Seitenflügel stehen nur eine Fensterachse vor, und der östliche Seitenflügel ist – vermutlich wegen des Straßenverlaufs – etwa fünf Grad aus dem rechten Winkel nach innen verdreht.[1]

Der verputzte Fachwerkbau besitzt Tür- und Fenstergewände aus Berkaer Sandstein, im Erdgeschoss als Rundbogenfenster. Zwei Portale neben den Seitenflügeln weisen auf zwei getrennte Hausteile hin. Das Mansardwalmdach besitzt auf Vorder- und Rückfront in seinem unteren Teil zu jeder Fensterachse eine Giebelgaube, im oberen Teil einige kleine Giebelgauben mit Ochsenaugenfenstern. An Charlotte von Stein erinnert eine Gedenktafel.

Auf der Südseite befinden sich jeweils zwischen den Fenstern auf dem Boden Podeste zum Aufstellen von Kübelpflanzen im Sommer; historisch sind Orangenbäume belegt.[2] Links vor dem Haus steht seit 1857 ein Brunnen, durch den der 1847 hier aufgestellte Muschelbrunnen ersetzt wurde, beide gestiftet von der russischen Großfürstin Maria Pawlowna (1786–1859) und geschaffen vom Berkaer Steinmetzen Carl Dornberger, also ohne Bezug zu Charlotte von Stein.[3] Das Haus samt Brunnen steht unter Denkmalschutz.[4]

Charlotte von Stein

In den Jahren 1770–1773 errichtete der Baumeister Anton Georg Hauptmann (1735–1803) aus dem Stallgebäude auf dem Grundstück des seit 1612 zum Weimarer Hof gehörenden alten Stiedenvorwerkes, von dem sich Reste erhalten haben, das Haus an der Straße Ackerwand (heute Nr. 25–27), welches als das Haus der Frau von Stein in die Weimarer Geschichte eingehen sollte.[5] Die Nordseite liegt an der Seifengasse. Ab 1777 lebte im östlichen Teil des Obergeschosses die Familie des Oberforstmeisters Otto Joachim Moritz von Wedel (1752–1794), genannt „der schöne Wedel“,[6][7] zu dem Goethe auch in engerer Beziehung stand. Vom gleichen Jahr an hatte im westlichen Flügel Charlotte von Stein bis zu ihrem Tod 1827 mit ihrem Mann, dem Oberstallmeister Gottlob Ernst Josias Friedrich Freiherr von Stein, und ihren drei Kindern ihren Wohnsitz.[8] Das Haus war zu keiner Zeit Eigentum der Frau von Stein.[9]

Im Haus fanden auch Proben für das herzogliche Theater statt. Nach Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lynckers (1767–1843) Aufzeichnungen war die Gesellschaft der Hofschauspieler im Haus der Charlotte von Stein beinahe täglich mit Proben für das Theater beschäftigt.[10][11] Eine Dame dieser Gesellschaft, die auf Goethe besonderen Eindruck hinterließ, war Christiane Henriette Sophie von Laßberg (1761–1778).

Bis 1794 blieben im Erdgeschoss die Pferdeställe der herzoglichen Husaren. 1799 übergab der Großherzog Carl August (1757–1828) auf Vermittlung Goethes diese Räume dem deutsch-russischen Chemiker Alexander Nicolaus Scherer (1771–1824), der dort für kurze Zeit ein chemisches Labor einrichtete.[9] Die russische Großfürstin Maria Pawlowna gestaltete 1804 einen Raum, der als russisch-orthodoxe Kirche genutzt wurde. Die Weimarer Russisch-Orthodoxe Kapelle wurde erst 1860 bis 1862 nach Plänen von Carl Heinrich Ferdinand Streichhan (1814–1884), also nach dem Tod von Maria Pawlowna, erbaut. Später wurden im Erdgeschoss des Hauses auf Initiative des Großherzogs Gesellschaftsräume (Salons) eingerichtet.[12]

Für das 20. Jahrhundert ist über das Haus wenig bekannt. Vom Sommer bis Oktober 1921 logierte die junge Marlene Dietrich (1901–1992) in der im Haus eingerichteten Pension, nachdem sie zuvor in einem Mädchenpensionat in der heutigen Thomas-Müntzer-Straße gewohnt hatte. Sie war zum privaten Geigenunterricht bei Robert Reitz (1884–1951) nach Weimar gekommen. Im Haus der Frau von Stein traf sie die zu Besuch in Weimar weilende Alma Mahler (1879–1964), die damals noch Gropius hieß.[13][14] Im Einwohnerbuch von Weimar 1941/1942 werden für das Haus Wohnungen und eine Pension angegeben.[15]

Ab 1996 beherbergte es das Goethe-Institut, das 2010 in das Reithaus im Park an der Ilm umzog.[16] Im Oktober 2008 hatte die Stadt Weimar das Haus an einen spanischen Investor verkauft. Wegen schleppender Sanierungen erwies sich diese Wahl als wenig glücklich,[17] sodass die Stadt Weimar gegenwärtig bestrebt ist, das Gebäude wieder zurückzukaufen. Der Stadtrat hat dem bereits zugestimmt.[18] Der Prozess ist nicht abgeschlossen und läuft gerichtlich weiter.[19]

Das Haus der Frau von Stein ist ein beliebtes Motiv sowohl für Postkarten[20] als auch für künstlerische Darstellungen. So wurde es bereits zu Lebzeiten der Charlotte von Stein vom Maler und Zeichner Georg Melchior Kraus (1737–1806) dargestellt, und im 20. Jahrhundert malten es Adolf Noether (1855–1943) und Franz Huth (1876–1970).[21]

Commons: Haus der Frau von Stein – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Google Maps
  2. Goethes Gespräche, Biedermannsche Ausgabe, Bd. 1: 1749–1805, hrsg. von Wolfgang Herwig, München 1998, S. 642.
  3. Rita Dadder: Brunnen am Haus der Frau von Stein. In: Weimar-Lese. Abgerufen am 13. März 2021.
  4. Denkmalliste Weimar, S. 5. Abgerufen am 13. März 2021.
  5. Stiedenvorwerk. In: Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1998, S. 434.
  6. W. Bode: Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen. Abgerufen am 13. März 2021.
  7. Wedel, Otto Joachim Moritz von. In: Effi Biedrzynski: Goethes Weimar. Das Lexikon der Personen und Schauplätze. Artemis & Winkler, München / Zürich 1992, ISBN 3-7608-1064-0, S. 471
  8. Haus der Frau von Stein. In: Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1998, S. 191.
  9. a b Charlotte von Stein in Weimar und auf Schloss Kochberg. In: Goethezeitportal. Abgerufen am 13. März 2021.
  10. Am Weimarischen Hofe unter Amalien und Karl August. Erinnerungen von Karl Frhr. von Lӱncker. Herausgegeben von seiner Grossnichte Marie Scheller. Berlin 1912, S. 65 f.
  11. Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker: Ich diente am Weimarer Hof: Aufzeichnungen aus der Goethezeit. Hrsg. von Jürgen Lauchner. Böhlau Verlag Köln / Weimar / Wien 1997, ISBN 3-412-05297-3, S. 53, 186.
  12. Susanne Müller-Wolff: Ein Landschaftsgarten im Ilmpark: Die Geschichte des herzoglichen Gartens in Weimar. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2007, ISBN 978-3-412-20057-2, S. 250.
  13. Volker Wahl: Sie war „von Kopf bis Fuß“ auf Weimar eingestellt. Marlene Dietrich als private Musikschülerin in der Goethestadt 1920/21. In: Axel Stefek (Hrsg.): Beiträge zur Weimarer Geschichte. Bd. 2021 Hrsg.: Freunde und Förderer des Stadtmuseums Weimar im Bertuchhaus e.V. Weimar 2021, S. 9–23.
  14. Christiane Weber: Weimar: Auf den Spuren von Weltstar Marlene Dietrich. Jahresschrift des Freundeskreises Stadtmuseum offenbart Sensation. Abgerufen am 9. März 2021.
  15. Verzeichnis der Straßen und Plätze der Stadt Weimar. In: Einwohnerbuch der Stadt Weimar. Abgerufen am 14. März 2021.
  16. Goethe-Institut zieht am 1. Juni ins Reithaus. In: Thüringische Landeszeitung. 19. Mai 2010, abgerufen am 14. März 2021.
  17. Streit um das Haus der Frau von Stein in Weimar. In: MDR Kultur. 18. September 2020, abgerufen am 14. März 2021.
  18. Stadtrat stimmt Rückkauf vom Haus der Frau von Stein zu. In: Süddeutsche Zeitung. 30. Januar 2020, abgerufen am 14. März 2021.
  19. MDR THÜRINGEN: Streit um "Haus der Frau von Stein": Stadt Weimar geht vor Gericht. In: mdr.de. 21. September 2023, abgerufen am 13. März 2024.
  20. Ansichtskarten des Hauses der Frau von Stein. In: oldthing.de. Abgerufen am 14. März 2021.
  21. Hans Joachim Malberg (Hrsg.): Weimar: 14 farbige Tafeln nach Pastellen von Franz Huth. Mit einer Einführung von Hans Malberg, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1964, Blatt 6, (Blatt 6 online)

Koordinaten: 50° 58′ 40,3″ N, 11° 19′ 54,4″ O