Henri Nannen

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Henri Nannen (links) bei der Verleihung des Gödecke-Parke-Davis-Preises in Freiburg (1987)

Henri Franz Theodor Max Nannen (* 25. Dezember 1913 in Emden; † 13. Oktober 1996 in Hannover) war ein deutscher Verleger und Publizist. Er war Gründer, langjähriger Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift Stern.

Ausbildung und Anfänge als Journalist

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Henri Nannen, Sohn des Polizeibeamten Klaas Nannen und Elise Nannen, geb. Buitenduif,[1] durchlief eine Buchhändlerlehre, studierte von 1934 bis 1938 Kunstgeschichte in München und sammelte erste Berufserfahrung als freier Mitarbeiter in der Fachzeitung Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur des Verlegers Hugo Bruckmann. Beim Reichssender München begann er seine journalistische Karriere. Während der Olympischen Spiele 1936 war er Stadionsprecher in Berlin. Er wirkte auch für die Olympia-Film G.m.b.H. als Sprecher in Leni Riefenstahls zweiteiligem Olympiafilm mit. Nannen erhielt zu dieser Zeit ein Arbeitsverbot und den Verweis von der Universität wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Erst eine Intervention Bruckmanns bewirkte 1937 deren Aufhebung. Auch während des Zweiten Weltkriegs betrieb Nannen Propaganda im Sinne des Nationalsozialismus, unter anderem für die SS (siehe unten).

Zugehörigkeit zur Waffen-SS

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Im Zweiten Weltkrieg diente Nannen zunächst bei der Luftwaffe als Kriegsberichtserstatter in einer Propagandakompanie, später, soweit bekannt, in der Abteilung Südstern der SS-Standarte Kurt Eggers.[2] In seiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter überlebte er u. a. einen Absturz in einer He-111.[3] Seine Einheit verfasste Propaganda gegen den Italienfeldzug der Westalliierten, wobei Nannen lt. NDR eine führende Rolle innehatte und auch verantwortlich war für antisemitische und rassistische Flugblätter.[4] Nannens Familie bestreitet das und drohte dem NDR rechtliche Schritte gegen diese Behauptung an; für eine Beteiligung Nannens an der Gestaltung oder auch Verteilung gebe es laut der Familie bis zum heutigen Tag keinen einzigen Beweis. Der NDR verweist darauf, dass die eigenen Recherchen juristisch geprüft und ausführlich dokumentiert sind; Nannens Verantwortung sei „unstrittig“.[5] Zu weiteren Beteiligten wie Hans Weidemann und Heinz Fehling unterhielt er auch nach dem Krieg enge Verbindungen.[6] Das Südstern-Teileinheitszeichen soll Vorbild für das Logo des späteren Magazins Stern gewesen sein. 1944 erschien sein Heftroman Störungsfeuer von „M 17“[7] in der Serie Kriegsbücherei der deutschen Jugend (Band 144). Von 1939 bis 1945 erschienen 156 Landserhefte in dieser Reihe im Berliner Steiniger Verlag, unter den Autoren waren auch Fritz Otto Busch und Otto Mielke.

Nach dem Krieg gründete Nannen 1946 die Tageszeitung Hannoversche Neueste Nachrichten, als deren Herausgeber er bis 1947 fungierte. Von 1947 bis 1949 war er Chefredakteur der Hannoverschen Abendpost. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen 1947 trat er für die FDP im Wahlkreis Lingen an, unterlag jedoch gegen den Kandidaten des Zentrums, Gregor Dall.

Chefredakteur und Herausgeber des Stern

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1948 erhielt Nannen von den Briten die Lizenz für ein Jugendmagazin namens „Zick-Zack“. Nannen wandelte das Blatt komplett um in eine Illustrierte für junge Leser oft mit doppelseitigen Fotos gestaltet. Schon 1951 verkaufte er seine Anteile am Stern, unter anderem an den Druckereibesitzer Richard Gruner und die Wochenzeitung Die Zeit von Gerd Bucerius. Von 1949 bis 1980 war er Chefredakteur des Stern, bis 1983 war er dessen Herausgeber. In der Anfangszeit wirkte auch Kurt Zentner, der Begründer und erste Chefredakteur der nationalsozialistischen Zeitschrift Der Stern, neben Nannen ein halbes Jahr lang als dessen Stellvertreter.[8] Durch Nannens Engagement wurde aus der Illustrierten Stern Europas auflagenstärkstes Magazin. Mit seinen Reportagen löste der Stern eine Reihe öffentlicher Kontroversen aus.

Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte Madonnenraub: Nach dem Diebstahl einer Riemenschneider-Madonna aus der Wallfahrtskirche im bayerischen Volkach ließ Nannen ein öffentliches Angebot von 100.000 DM für die Rückgabe der Figur machen. Der Stern schrieb dazu 1962: „... haben wir uns entschlossen, für die Rückgabe der Riemenschneider-Madonna ... die Summe von 100.000 DM auszusetzen. Der Stern wird diese 100.000 Mark ohne Ansehen der Person demjenigen aushändigen, der uns in die Lage versetzt, die Madonna im Rosenkranz der Gemeinde Volkach zurückzugeben. Wir sichern den Tätern oder ihren Mittelsleuten absolute Verschwiegenheit zu.“[9] Der Aufruf löste eine große Debatte im deutschen Feuilleton aus. Nannen wurde mehrfach wegen Hehlerei angezeigt, konnte jedoch alle Prozesse für sich entscheiden. Das Angebot des Stern führte im November 1962 zur Rückgabe des gestohlenen Kunstwerks.[10]

Im Dezember 1970 kam es zu einem von etwa 15 bis 20 Millionen Zuschauern gesehenen Fernsehduell zwischen Nannen, der die Politik von Willy Brandt eher bejahte, und dem Moderator des ZDF-Magazins, Gerhard Löwenthal, der sie ablehnte. Löwenthal warf Nannen vor, dieser beschäftige einen „Mann namens Weidemann“, der während des Krieges im oberitalienischen Bevilacqua (Venetien) einen Partisanen und eine Geisel gehängt habe, und Nannen sei in dieses Kriegsverbrechen verwickelt gewesen. Nannen ging dagegen gerichtlich vor, und der Stern setzte seine Reporter zur Klärung ein. Sie konnten die beiden verantwortlichen deutschen Unteroffiziere ausfindig machen und entdeckten zudem ein siebzigseitiges Manuskript, das eineinhalb Jahre zuvor Journalisten des Axel Springer Verlages zusammengestellt hatten und das diese Vorwürfe enthielt. Sie waren allerdings Axel Springer und dem Welt-Chefredakteur Herbert Kremp für eine Veröffentlichung zu vage gewesen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die von Löwenthal und seinem Mitarbeiter Meyer veröffentlichten Texte in langen Passagen mit Springers Nannen-Dossier wörtlich übereinstimmten, schlossen die Parteien einen Vergleich: Löwenthal und das ZDF erklärten öffentlich, „sorgfältige Recherchen“ hätten ergeben, „dass weder Weidemann noch ein Angehöriger seiner Einheit für Verhöre, Todesurteile und Hinrichtungen verantwortlich oder daran beteiligt waren“, und nahmen die gegen die politische Glaubwürdigkeit Nannens erhobenen Vorwürfe in aller Form zurück.[11]

1970 stiftete Nannen den Egon-Erwin-Kisch-Preis. Dieser Medienpreis ging im Jahr 2005 in der Kategorie Reportage des neu geschaffenen Henri-Nannen-Preises auf. Für den Skandal um die von Konrad Kujau gefälschten Hitler-Tagebücher übernahm Nannen 1983 insofern die Verantwortung, als er sich öffentlich der Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht bezichtigte.

Tätigkeit als Mäzen

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Anlässlich seines 70. Geburtstages schenkte der passionierte Kunstsammler zusammen mit seiner Frau Martha Nannen im Rahmen einer Stiftung seiner ostfriesischen Heimatstadt Emden seine bedeutende Kunstsammlung, die hauptsächlich aus Gemälden und Skulpturen deutscher Expressionisten bestand. Die dafür erbaute Kunsthalle in Emden wurde 1986 eröffnet.[12] 1989 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt verliehen, in der er seit den 1980er Jahren wieder lebte.[13] Zudem wurde 2013 in Emden der Henri-Nannen-Platz anlässlich seines 100. Geburtstages nach ihm benannt.[14]

Nannen war in erster Ehe mit Monika, in zweiter mit Martha (geb. Kimm) verheiratet.[15]

Seit 1990 bis zu seinem Tod war er in dritter Ehe mit Eske Nannen (geb. Nagel) verheiratet, die der Kunsthalle in Emden bis 2016 als Geschäftsführerin vorstand.

Sein Sohn Christian Nannen (* 1946),[16] ist Miteigentümer des Hamburger Kofferherstellers Travelite.[17] Seine Enkelin (Christian Nannens Tochter) ist die Hamburger Journalistin Stephanie Nannen.

  • Störungsfeuer von „M 17“. Ein Flaksoldat besteht seine Feuerprobe. Steiniger-Verlag, Berlin 1944.
  • Lieber Sternleser! Briefe an d. Leser 1958–1983. Hg. Rolf Winter, Gruner und Jahr, Hamburg 1984, ISBN 3-570-05673-2.

Einzelnachweise

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  1. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who’s who. XV. Ausgabe von Degeners wer ist’s?, Berlin 1967, S. 1364.
  2. Habbo Knoch, Die lange Dauer der Propaganda, S. 213. In: Geschichte für Leser: populäre Geschichtsschreibung in Deutschland im 20. Jahrhundert, Band 2004 und Südstern-Flugblätter im Bestand der Staatsbibliothek Berlin, die eingeleitet und kommentiert wurden in: Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs. Hrsg. v. Moritz Rauchhaus u. Tobias Roth. Verlag das kulturelle Gedächtnis Berlin 2020.
  3. Dokumentation auf Phoenix: Kriegsreporter in Hitlers Krieg
  4. STRG_F: Verleger Henri Nannen im Zweiten Weltkrieg an antisemitischer Propaganda beteiligt Pressemeldung NDR vom 10. Mai 2022
  5. Henri Nannens Familie droht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 6. Juli 2022.
  6. Han Park, Gunnar Krupp: Verleger-Legende Henri Nannen: Antisemitische Prodaganda. In: STRG F. funk, abgerufen am 13. Mai 2022.
  7. Henri Nannen: Störungsfeuer von „M 17“. Ein Flaksoldat besteht seine Feuerprobe. Steiniger-Verlag Berlin, 1944. Die Landserhefte der Serie „Kriegsbücherei der deutschen Jugend“ sollten junge Männer für den Krieg begeistern. „Dieser Kampf entscheidet über das Schicksal der nächsten 1000 Jahre der deutschen Geschichte“, heißt es im Klappentext. Das hatte der Führer erklärt und da sollte niemand zurückstehen. Nannens Geschichte erzählt von jungen Gefreiten Hans Pleschke, der todesmutig die letzten Gegner aus dem Bunker „M17“ auf der französischen Seite des Rheins vertreibt. Leseprobe: „Pleschke hat sich flach auf den Bauch gelegt. Mit dem Taschenmesser hat er eine Kerbe in sein Koppel gekratzt, wenn der Strich mit dem Rand des Bunkers abschneidet, hängt die Sprengladung eben über der Schießscharte. Es ist ein tollkühner Plan, den er da gefaßt hat, es kann ihm das Leben kosten. Aber es ist die letzte Ladung, jetzt muß er aufs Ganze gehen. Er stellt die Zündschnur auf vier Sekunden ein und läßt das Koppel bis zur Markierung herunter. Mit aller Gewalt preßt er sich gegen die Deckung. Ununterbrochen tackt das MG gegen den Fluß hin.“ Der vollständige Text ist als pdf abrufbar unter: http://www.m.medien-gesellschaft.de/NANNEN.pdf
  8. Nils Minkmar: Die doppelte Wundertüte. Wie Henri Nannen den „Stern“ erfand. In: Lutz Hachmeister/Friedemann Siering: Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. C.H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47597-3, S. 185–195, hier S. 194f.
  9. a b Rainer Zeh: Die Madonnenräuberbande, Dokumentation. Norderstedt: Books on Demand; Auflage: 1 (27. Oktober 2011), S. 41ff, ISBN 978-3-8448-0221-4
  10. Willi Winkler: Wie "Stern"-Chef-Nannen aus einem Madonnenraub eine PR-Aktion machte. 13. Juli 2022, abgerufen am 10. Juli 2023.
  11. Haug von Kuenheim: Löwenthal hißte die weiße Fahne. „Stern“-Chef Nannen siegte über den ZDF-Moderator. In: Die Zeit Nr. 44, 29. Oktober 1971 (abgerufen am 31. Januar 2011).
  12. Sehenswertes: Stadt Emden. Abgerufen am 22. September 2021.
  13. Die Stifter der Kunsthalle Emden. Abgerufen am 22. September 2021.
  14. Hahnsche Insel wird Henri-Nannen-Platz. Abgerufen am 22. September 2021.
  15. Claus Lutterbeck: 100. GEBURTSTAG VON HENRI NANNEN, Raubein mit Seele. In: WWW.STERN.DE. G+J Medien GmbH, 25. Dezember 2013, abgerufen am 28. März 2023.
  16. Porträt Hamburger Abendblatt, 13. Oktober 2007
  17. Geschäftsführer von Travelite Impressum der Website von Travelite