Nuklearanlage Marcoule

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Nuklearanlage Marcoule
Luftaufnahme der Nuklearanlage Marcoule (2013). Hinten links (nördlich) ist die Anlage Phénix, am rot-weißen Schornstein zu erkennen. Das große, gelbliche Gebäude mitte-links ist der Kernreaktor G1. Die Reaktoren G2 und G3 sind nebeneinander in der Mitte des Bildes zu erkennen, es sind die großen bläulichen Gebäuden.

Luftaufnahme der Nuklearanlage Marcoule (2013). Hinten links (nördlich) ist die Anlage Phénix, am rot-weißen Schornstein zu erkennen. Das große, gelbliche Gebäude mitte-links ist der Kernreaktor G1. Die Reaktoren G2 und G3 sind nebeneinander in der Mitte des Bildes zu erkennen, es sind die großen bläulichen Gebäuden.

Lage
Nuklearanlage Marcoule (Frankreich)
Nuklearanlage Marcoule (Frankreich)
Koordinaten 44° 8′ 34″ N, 4° 42′ 22″ OKoordinaten: 44° 8′ 34″ N, 4° 42′ 22″ O
Land Frankreich
Daten
Eigentümer Areva/CEA
Betreiber Areva/CEA

Die Nuklearanlage Marcoule ist eine kerntechnische Anlage und Forschungszentrum an der Rhone, etwa 30 Kilometer nördlich von Avignon in der französischen Region Okzitanien.

Auf dem Gelände der Anlage waren vormals drei UNGG-Reaktoren (siehe Kernkraftwerk Marcoule) sowie bis 2010 der Brutreaktor-Prototyp Phénix in Betrieb.

Die Wiederaufarbeitungsanlage UP1 war die erste großtechnische Anlage in Frankreich. Die weiterentwickelten Anlagen UP2 und UP3 wurden in La Hague errichtet.

Marcoule ist das zweitgrößte französische Zentrum für die Behandlung radioaktiven Abfalls und Rückbau von Anlagen, durch das Unternehmen EDF Cyclife.[1]

Seit ca. 1996 findet der Rückbau und die Dekommissionierung verschiedener Anlagen statt. Weiterhin sind bspw. die Herstellung von Brennelementen, sowie die Forschung und Entwicklung durch die CEA, aktive Bereiche.[2]

Die Anlage wird von der französischen Atomaufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire überwacht und inspiziert.

Mit der Entscheidung Frankreichs zur Zeit der vierten Republik, Atommacht zu werden, mussten Methoden zur Herstellung von Plutonium entwickelt werden. Dafür gründete das Commissariat à l'énergie atomique (CEA, frz. für ‚Kommissariat für Atomenergie‘) im Jahre 1955 ein Produktionszentrum "Centre de Production de Plutonium de Marcoule", auf dem in den Folgejahren zunächst zwei Reaktoren gebaut wurden. Betrieben wurden sie vom Energiekonzern Électricité de France (EDF).[3]

1976 ging die Firma Cogema (Silbenkurzwort aus Compagnie Générale des Matières Nucléaires, deutsch: ‚Allgemeine Gesellschaft für Nuklear-Material‘) aus einem Teil der CEA hervor und übernahm den Betrieb der Nuklearanlage.

1996 endete die Plutoniumproduktion.

2001 entstand aus Cogema und anderen Firmen der Konzern Areva, welcher als industrieller Partner eng mit der CEA zusammenarbeitete. Areva selbst gehört über mehrere Beteiligungen dem französischen Staat. Areva ging folglich in Orano auf.

2015 feiert der Standort "60 Jahre wissenschaftliche Herausforderungen"[4]

Luftaufnahme Kernanlagen Marcoule 1967

Laut Eigenangaben der CEA (Stand 2023):[2][5]

  • Mitarbeiter:
    • Gesamte Anlage Marcoule: ca. 5.000
    • Orano Marcoule: ca. 1.850[6]
    • CEA Marcoule: 1.704
  • Forschungsbudget CEA: 521 Mio. Euro
  • Über 285 Patente und ca. 300 wissenschaftliche Publikationen pro Jahr

Kernanlagen und Einrichtungen

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Hinweis: Die folgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden nur einige bekannte Anlagen aufgezählt.

Pilot- und Forschungsanlagen

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  • Die älteren Anlagen MAR400 und APM (L'Atelier pilote de Marcoule)[7]
  • Das moderne Forschungslabor Atalante[8] (und die Forschungskonferenz im gleichen Namen)[9]
  • Das Projekt TOR[10]

Kernkraftwerk Marcoule

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1956 ging der erste UNGG-Reaktor dieses Kernkraftwerks in Betrieb, 1959 und 1960 folgten je ein weiterer. Sie dienten der Produktion von waffenfähigem Plutonium für die ersten französischen Kernwaffen und lieferten auch Strom ins kommerzielle Stromnetz.

1968 und 1980 erfolgte die Abschaltung des jeweils ältesten Blocks, 1984 wurde auch der dritte Reaktor stillgelegt.[11]

Wiederaufarbeitungsanlage UP1

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Von 1958 bis 1992 trennte die Wiederaufarbeitungsanlage UP1 per Lösungsmittelextraktion waffenfähiges Plutonium aus den Brennelementen der drei Reaktoren des Kernkraftwerkes Marcoule ab. Der Gesamtertrag wurde auf mehr als 2,5 Tonnen geschätzt. Der Rückbau der Anlage begann 1998.[12]

Celestin-Reaktoren

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1967 und 1968 gingen die beiden Schwerwasserreaktoren Celestin 1 und 2 in Betrieb, die Tritium für das französische Programm zur Entwicklung von Wasserstoffbomben produzierten, und auch Plutonium waffenfähig herstellen konnten.[13] Sie wurden 2009 abgeschaltet.[3]

Das helle (längliche) Gebäude unmittelbar hinter dem rechten Schornsteinen, sowie der graue Anbau in der Mitte des Fotos ist die Wiederaufarbeitungsanlage UP1 mit verschiedenen Anbauten (2005).[14] Ebenfalls sind die Gebäude der Reaktoren G2 und G3 hinten links gut zu erkennen.

Kernkraftwerk Phénix

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Seit Dezember 1973 war in diesem Kraftwerk ein Brutreaktor in Betrieb, ab 1990 mit mehrjährigen Unterbrechungen. Dieser schnelle Brüter war der Prototyp für den später erbauten, mehrere hundert Kilometer flussaufwärts gelegenen Superphénix und wurde nach dessen Abschaltung wieder zu Forschungszwecken umgebaut und 2004 bis zur Stilllegung im Februar 2010 betrieben.

MOX-Brennelemente (Orano Melox)

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Die ab 1985 geplante, ab 1990 gebaute und 1995 in Betrieb gegangene Recyclinganlage für Brennelemente Melox hat sich bis heute zum Weltmarktführer in diesem Segment entwickelt. Sie liefert international für Leichtwasserreaktoren die MOX-Brennelemente. Das dafür benötigte Plutonium kommt stammt aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague.

Verglasungsbetrieb Marcoule

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In diesem Betrieb wurden von 1978 bis zur Schließung 1999 insgesamt 1900 m³ hochradioaktiver Abfall (HAW) in Glaskokillen gepackt (siehe auch HAW-Verglasung).

Weitere Einrichtungen

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Außerdem gibt es in der Nuklearanlage noch das Forschungslabor Atalanta sowie das Werk Centraco (Silbenkurzwort aus centre nucléaire de traitement et de conditionnement des déchets faiblement radioactifs, zu deutsch ‚Nuklearzentrum für Behandlung und Wiederaufarbeitung von schwach radioaktivem Material‘) der Gesellschaft für Verpackungsabfälle und industrielle Abwässer (Socodei).[15]

Bekannte Vorfälle

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Am 12. September 2011 explodierte ein Schmelzofen, auf dem Gelände des Centraco-Werks innerhalb der Nuklearanlage, bei der laut der französischen Atomsicherheitsbehörde ASN ein Mensch ums Leben kam und vier weitere verletzt wurden. Radioaktivität sei keine frei geworden.[16] Von den Medien wurde fälschlicherweise verbreitet, dass der Unfall mit dem Atomreaktor auf dem Gelände in Verbindung steht.[17][18] Die Ursache der Explosion war unbekannt. Der Vorfall wurde von der Atomaufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire abgeschlossen.[19]

Der Standort und die Anlagen werden von Greenpeace Frankreich kritisiert.[20]

Einzelnachweise

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  1. EDF Cyclife. EDF, abgerufen am 21. September 2023 (englisch).
  2. a b CEA: The CEA Marcoule. 13. April 2023, abgerufen am 20. September 2023 (englisch).
  3. a b History The plant of Marcoule - AREVA. 5. März 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. März 2014; abgerufen am 20. September 2023.
  4. CEA: 60 ans de défis scientifiques. 21. September 2020, abgerufen am 21. September 2023 (französisch).
  5. CEA: Le Centre CEA de Marcoule. CEA, 20. Juli 2023, abgerufen am 21. September 2023 (französisch).
  6. Marcoule-Orano, a nuclear dismantling project. Orano, abgerufen am 22. September 2023 (englisch).
  7. Dismantling of Marcoule reprocessing cell approaching : Waste & Recycling - World Nuclear News. In: World nuclear news. World Nuclear Association, abgerufen am 21. September 2023.
  8. CEA: Le laboratoire Atalante. 9. November 2015, abgerufen am 21. September 2023 (französisch).
  9. Atalante 2024. Abgerufen am 21. September 2023 (englisch).
  10. Sauteron, Jean, Calame-Longjean, Andre: The reprocessing pilot plant at Marcoule: the TOR project. 1987 (englisch, iaea.org [abgerufen am 21. September 2023]).
  11. PRIS - Country Details. IAEA, 19. September 2023, abgerufen am 20. September 2023 (englisch).
  12. France's Nuclear Weapons - French Nuclear Facilities. Abgerufen am 20. September 2023.
  13. Roland Kollert: Die Politik der latenten Proliferation. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden 1994, ISBN 978-3-8244-4156-3, doi:10.1007/978-3-322-81254-4 (springer.com [abgerufen am 21. September 2023]).
  14. CEA: Assainissement - Démantèlement. 1. Dezember 2020, abgerufen am 20. September 2023 (französisch).
  15. Christopher Schrader: Gemischtwarenladen für Atomtechnik. 12. September 2011, abgerufen am 20. September 2023.
  16. Autorité de Sûreté Nucléaire: Zwischenfall in Centraco (Gard) beendet (Pressemitteilung vom 12.09.2011). Archiviert vom Original am 12. Oktober 2011; abgerufen am 30. Dezember 2019 (englisch).
  17. Tagesschau: Explosion in Atomkraftwerk. 12. September 2011, archiviert vom Original am 10. März 2012; abgerufen am 2. Januar 2020.
  18. FOCUS.de: Atomaufsicht gibt Entwarnung nach Explosion. 12. September 2011, abgerufen am 2. Januar 2020.
  19. Autorité de sûreté nucléaire: End of the event in Centraco (Gard) : press release #2. ans, 12. September 2011, abgerufen am 22. September 2023 (britisches Englisch).
  20. Sûreté nucléaire : la grande illusion française. In: Greenpeace France. 28. Juni 2023, abgerufen am 20. September 2023 (französisch).