Orthogonale Abbildung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eine orthogonale Abbildung oder orthogonale Transformation ist in der Mathematik eine Abbildung zwischen zwei reellen Skalarprodukträumen, die das Skalarprodukt erhält. Orthogonale Abbildungen sind stets linear, injektiv, normerhaltend und abstandserhaltend. Im euklidischen Raum können orthogonale Abbildungen durch orthogonale Matrizen dargestellt werden und beschreiben Kongruenzabbildungen, beispielsweise Drehungen oder Spiegelungen. Die bijektiven orthogonalen Abbildungen eines Skalarproduktraums in sich bilden mit der Hintereinanderausführung als Verknüpfung eine Untergruppe der Automorphismengruppe des Raums. Die Eigenwerte einer solchen Abbildung sind nicht notwendigerweise reell, sie besitzen jedoch alle den komplexen Betrag eins.

Eine bijektive orthogonale Abbildung zwischen zwei Hilberträumen wird auch orthogonaler Operator genannt. Die entsprechenden Gegenstücke bei komplexen Skalarprodukträumen sind unitäre Abbildungen und unitäre Operatoren. Von orthogonalen Abbildungen zu unterscheiden sind zueinander orthogonale Funktionen, beispielsweise orthogonale Polynome, welche als Vektoren in einem Funktionenraum aufgefasst werden und dadurch charakterisiert sind, dass ihr Skalarprodukt null ist.

Eine Abbildung zwischen zwei reellen Skalarprodukträumen und heißt orthogonal, wenn für alle Vektoren

gilt. Eine orthogonale Abbildung ist demnach dadurch charakterisiert, dass sie das Skalarprodukt von Vektoren erhält. Insbesondere bildet eine orthogonale Abbildung zueinander orthogonale Vektoren und (also Vektoren, deren Skalarprodukt null ist) auf zueinander orthogonale Vektoren und ab.

Die identische Abbildung

ist trivialerweise orthogonal. Im euklidischen Raum sind orthogonale Abbildungen gerade von der Form

,

wobei eine orthogonale Matrix ist. Im Raum der quadratisch summierbaren reellen Zahlenfolgen stellt beispielsweise der Rechtsshift

eine orthogonale Abbildung dar. Weitere wichtige orthogonale Abbildungen sind Integraltransformationen der Form

mit einem geeignet gewählten Integralkern . Beispiele sind die Sinus- und die Kosinustransformation, die Hilbert-Transformation und die Wavelet-Transformation. Die Orthogonalität solcher Transformationen folgt dabei aus dem Satz von Plancherel und dessen Varianten.

Im Folgenden werden die Zusätze bei den Skalarprodukten weggelassen, da durch das Argument klar wird, um welchen Raum es sich jeweils handelt.

Eine orthogonale Abbildung ist linear, das heißt für alle Vektoren und Zahlen gilt

.

Es gilt nämlich aufgrund der Bilinearität und der Symmetrie des Skalarprodukts

sowie

Aus der positiven Definitheit des Skalarprodukts folgt daraus dann die Additivität und die Homogenität der Abbildung.

Der Kern einer orthogonalen Abbildung enthält nur den Nullvektor, denn für gilt

und aus der positiven Definitheit des Skalarprodukts folgt daraus dann . Eine orthogonale Abbildung ist demnach stets injektiv. Sind und endlichdimensional mit der gleichen Dimension, dann gilt aufgrund des Rangsatzes

und somit ist auch surjektiv und damit bijektiv. Orthogonale Abbildungen zwischen unendlichdimensionalen Räumen müssen jedoch nicht notwendigerweise surjektiv sein; ein Beispiel hierfür ist der Rechtsshift.

Eine orthogonale Abbildung erhält die Skalarproduktnorm eines Vektors, das heißt

,

denn es gilt

.

Umgekehrt ist jede lineare Abbildung zwischen zwei reellen Skalarprodukträumen, die die Skalarproduktnorm erhält, orthogonal. Es gilt nämlich aufgrund der Bilinearität und der Symmetrie des Skalarprodukts einerseits

und mit der Linearität der Abbildung andererseits

Durch Gleichsetzen der beiden Gleichungen folgt daraus dann die Orthogonalität der Abbildung.

Aufgrund der Normerhaltung und der Linearität erhält eine orthogonale Abbildung auch den Abstand zweier Vektoren, denn für die von der Norm induzierte Metrik gilt

.

Eine orthogonale Abbildung stellt damit eine Isometrie dar. Umgekehrt ist jede (a priori nicht notwendigerweise lineare) Abbildung zwischen zwei Skalarprodukträumen, die Abstände erhält und den Nullvektor auf den Nullvektor abbildet, orthogonal. Eine solche Abbildung ist nämlich aufgrund von

normerhaltend und aus der Polarisationsformel folgt dann

und somit die Orthogonalität. Existiert eine bijektive orthogonale Abbildung zwischen zwei Skalarprodukträumen, dann sind die beiden Räume isometrisch isomorph. Eine bijektive orthogonale Abbildung zwischen zwei Hilberträumen wird auch orthogonaler Operator genannt.

Orthogonale Endomorphismen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gruppeneigenschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine orthogonale Abbildung stellt einen Endomorphismus dar. Die Hintereinanderausführung zweier orthogonaler Endomorphismen ist wiederum orthogonal, denn es gilt

.

Ist ein orthogonaler Endomorphismus bijektiv, dann ist seine Inverse aufgrund von

ebenfalls orthogonal. Die bijektiven orthogonalen Endomorphismen von bilden demnach eine Untergruppe der Automorphismengruppe . Ist der Raum endlichdimensional mit der Dimension , so ist diese Gruppe isomorph zur orthogonalen Gruppe .

Die Eigenwerte einer orthogonalen Abbildung sind nicht notwendigerweise alle reell. Ist jedoch ein Eigenwert von (aufgefasst als komplexe Abbildung) mit zugehörigem Eigenvektor , so gilt

und damit . Die Eigenwerte einer orthogonalen Abbildung haben also alle den komplexen Betrag eins und sind demnach von der Form

mit . Eine orthogonale Abbildung besitzt damit höchstens die reellen Eigenwerte . Die komplexen Eigenwerte treten immer paarweise komplex konjugiert auf, denn mit ist aufgrund von

auch ein Eigenwert von .

Abbildungsmatrix

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abbildungsmatrix einer orthogonalen Abbildung bezüglich einer Orthonormalbasis von ist stets orthogonal, das heißt

,

denn es gilt

,

wobei und sind.

  • Ina Kersten: Analytische Geometrie und lineare Algebra. Band 1. Universitätsverlag Göttingen, 2005, ISBN 978-3-938616-26-0.
  • Hans-Joachim Kowalsky, Gerhard O. Michler: Lineare Algebra. de Gruyter, 2003, ISBN 978-3-11-017963-7.
  • Dietlinde Lau: Algebra und Diskrete Mathematik. Band 1. Springer, 2011, ISBN 978-3-642-19443-6.