Villa Merkel
Die Villa Merkel in Esslingen am Neckar wurde 1872/73 als Unternehmer-Villa errichtet und dient seit 1973 als Galerie der Stadt Esslingen.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Villa wurde von dem Stuttgarter Architekten Otto Tafel (1838–1914) für den Industriellen Oskar Merkel erbaut. Dieser war Inhaber der Textilfabrik Merkel & Wolf (ab 1891 Merkel & Kienlin), die bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zu den bedeutenden Vertretern württembergischer Textilindustrie zählte.
Die Villa wurde in einem Landschaftsgarten in unmittelbarer Nähe des damaligen Firmengebäudes, etwa 70 Meter vom Neckar entfernt direkt neben der Filstalbahn (Bahnstrecke Stuttgart–Ulm) errichtet.[1]
1971 wurde die Produktion der Textilfabrik in Esslingen eingestellt, das gesamte Fabrikareal samt Villa und Park an die Stadt verkauft und die Fabrikanlagen bis 1974 abgebrochen.
Die Anlage der Villa Merkel ist heute ein Kulturdenkmal aufgrund des Gesetzes zum Schutz der Kulturdenkmale des Landes Baden-Württemberg.
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Umfassungsmauern der Villa und deren Kellerdecke bestehen aus Stampfbeton. Sie ist damit eines der frühen im Wesentlichen aus Beton errichteten Wohnhäuser in Deutschland. Die Tatsache war in Vergessenheit geraten und wurde erst bei Voruntersuchungen für eine Instandsetzung 2002 wiederentdeckt. Die Innenwände sind dagegen in Fachwerk ausgeführt, die Decken der aufgehenden Stockwerke Holzbalkendecken.[2] Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte 2006 die Instandsetzung der Südfassade mit 50.000 Euro.
Dem Geschmack der Gründerzeit entsprechend, wurde das Haus im Stil der Neorenaissance gestaltet. Der Eingang liegt auf der Nordseite und ist damit Stadt und Bahnstrecke zugewandt. Er wurde als eingestellter Portikus gestaltet. Die Park und Neckar zugewandte Südseite hat einen Standerker. Auf der Westseite besitzt die Villa einen zweigeschossigen Wintergarten, der in seinem unteren Teil aus Kellergewölben besteht. Die Fenster des oberen Teils sind nur bereichsweise verglast. Ebenfalls über zwei Geschosse erstreckt sich das mit einem Mosaikfußboden versehene Vestibül mit umlaufender Galerie im ersten Stock. Deren Säulen sind der ionischen und korinthischen Ordnung nachempfunden. Das Vestibül wird durch von oben einfallendes Tageslicht beleuchtet.
Park
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Park der Villa liegt zwischen der Bahnlinie und dem Neckar. Hier steht das alte Gärtnerhaus, das die Graphische Sammlung der Stadt Esslingen sowie die Verwaltung der Städtischen Galerien aufnehmen soll. Im Park werden plastische Werke sowie ein Bogen der alten Pliensaubrücke ausgestellt.
Galerie der Stadt Esslingen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die erste Ausstellung Edvard Munch: Lithographien, Holzschnitte, Radierungen wurde am 27. Oktober 1974 eröffnet.[3] Derzeit werden 15 Räume der Villa mit insgesamt etwa 500 m² für wechselnde Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst genutzt. Neben der Villa Merkel nutzt die Stadt Esslingen auch das benachbarte Bahnwärterhaus. Hier werden vier Räume verwendet, um die Werke vorwiegend junger, unbekannter Künstler zu präsentieren. Außerdem wird hier eine Wohnung für Stipendiaten vorgehalten.
Leitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hilde Ziegler (1974–1983)
- Alexander Tolnay (1983–1991)
- Renate Damsch-Wiehager (1991–2000)
- Andreas Baur (2001–2022)
- Sebastian Schmitt (seit 2023)[4]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website
- Zu Baugeschichte und Fassadensanierung ( vom 2. März 2010 im Internet Archive)
- Villa Merkel TV-Spot
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Julius Fekete: Die Villa Merkel in Esslingen. Ein Fabrikantenwohnhaus der Gründerzeit. In: Stadtarchiv Esslingen am Neckar (Hrsg.): Esslinger Studien. Zeitschrift. Band 21, 1982, ISSN 0174-4445, S. 119–138.
- Martin Kippenberger, Renate Damsch-Wiehager (Hg.): Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel (Villa Merkel). Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 1996, ISBN 978-3-8932-2900-0.
- Ferdinand Werner: Der lange Weg zum neuen Bauen. Band 1: Beton: 43 Männer erfinden die Zukunft. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2016. ISBN 978-3-88462-372-5, S. 130ff.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Werner, S. 130.
- ↑ Werner, S. 135.
- ↑ M. Kalliga: Neuer Glanz in alter Villa. In: Eßlinger Zeitung. 28. Oktober 1974, S. 3–4.
- ↑ Stadt Esslingen am Necker: Neue Leitung der Villa Merkel. Abgerufen am 25. Januar 2024.
Koordinaten: 48° 44′ 3″ N, 9° 18′ 36,4″ O