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ADB:Anna Amalia (Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach)

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Artikel „Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach“ von Carl August Hugo Burkhardt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 386–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Anna_Amalia_(Herzogin_von_Sachsen-Weimar-Eisenach)&oldid=- (Version vom 12. November 2024, 02:36 Uhr UTC)
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Band 1 (1875), S. 386–387 (Quelle).
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Amalia, eigentlich Anna Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, geb. 24. Oct. 1739, Tochter des Herzogs Carl von Braunschweig, wurde im 16. Jahre ihres Lebens mit dem Herzog Ernst August Constantin 1756 am 16. März vermählt, nachdem sie, wie ihre Selbstbiographie sagt, eine gerade nicht glückliche Jugend genossen hatte, weil sie ihren Geschwistern nachgesetzt der „Ausschuß der Natur“ genannt worden sei. Da ihr Gemahl schon 1757 starb, ging sie, selbst noch minderjährig, mit dem Lande einer schweren Zukunft entgegen, zumal sie durch Testament zur Vormünderin über den am 3. September 1757 geborenen Erbprinzen Carl August, sowie zur Landesregentin bestimmt war. Nach erlangter Volljährigkeitserklärung führte sie die Regentschaft bis zum 3. September 1775, wo Carl August, dem noch nach des Vaters Tode ein Bruder Constantin geboren war, die Regierung des Landes übernahm, das unter der Herzogin A. die schwersten Schläge erlitten hatte. Schwer heimgesucht von den Leiden des siebenjährigen Krieges, von Hunger voll, und vor allem von den Folgen einer frühen üblen Landesverwaltung, welche leider in den deutschen Fürstenthümern nicht selten war, kämpfte A., erfüllt von ihrer hohen Aufgabe, mit Ausdauer und Umsicht, um die Lage des schwergeprüften, namentlich in seinen Finanzverhältnissen zerrütteten Landes einer bessern Zukunft entgegenzuführen. Nichts weniger als zur Regentin erzogen, wie sie selbst schreibt, nahm sie, aufgestachelt durch den Ruhm und Glanz des braunschweigischen Hauses, alle ihre Kraft zusammen, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Stolz und Eitelkeit zugleich trugen sie und sie leistete im innigen Zusammenwirken mit ihrem Vater, der ein trefflicher Obervormund war, und mit aufopfernden Räthen Außerordentliches, als gegen das Ende ihrer Regentschaft der weimarische Schloßbrand das Land von neuem in Besorgnisse und Kämpfe um die Existenz verwickelte, wenn nicht Einschränkungen aller Art in der Hof- und Landesverwaltung Platz gegriffen hätten. Fünfzehn Jahre lang lag das Schloß als ein bedeutsames Zeichen der Zeit in seinen Trümmern. – Nicht minder großes leistete A. aber auch in der Familie, indem sie mit hohem Verständniß und wachsamem Auge die Erziehung ihrer unter Leitung des trefflichen Grafen Görz stehenden Kinder überwachte, weil sie von ihnen das Wohl von Tausenden erwartete. In ihrer Regierung umfasste sie alle Zweige der Landesverwaltung mit gleicher Liebe und gleichem Eifer, sie leistete bei beschränkten Mitteln außerordentlich Großes und bereitete Weimar für die kommende Glanzperiode, welche sich mit 1775 erschließt, im besten Sinne vor, wenn natürlich auch heute ihre Schöpfungen im Lichte unserer Zeit betrachtet nicht überall den alten Werth und ihre Bedeutung behaupten und manche Anordnungen Mißgriffe seltener Art involviren, die die Neuzeit nicht begreifen kann. Aber warme Fürsorge und ächtes Wohlwollen für das Ganze wie für jeden Einzelnen, dem sie näher trat, vermag man ihr nicht abzusprechen; sie strebte mit Ernst, erfüllt von ihrer hohen Aufgabe, richtig weiter.

Eine nicht minder bedeutsame Stellung gewann und behauptete A. in einer ganz andern Richtung ihrer Lebensthätigkeit, seitdem sie sich in das Privatleben 1775 zurückgezogen hatte. Mit bescheidenen materiellen Mitteln, aber mit weiser Sparsamkeit ausgenützt, konnte sie das hohe geistige Interesse fördern, welches namentlich seit Goethes Eintritt sich mehr und mehr belebte. Sie förderte Kunst und Wissenschaft, die eigentliche Aufgabe ihrer und ihrer verwandten Kreise, in den verschiedensten Richtungen. Das einige Jahre nach dem Schloßbrande erbaute Theater förderte sie eben so durch materielle Hilfe als durch die höheren Anforderungen, welche sie mit Goethe an die Leistungen der Einzelnen stellte. Schon damals wirkte sie für die bessere Ausbildung der Schauspieler. Ihrem [387] hohen Interesse verdanken wir auch die Aufführungen in Ettersburg und Tiefurt, wie nicht minder die Wiederbeschaffung von Kunstwerken, welche im Schloßbrande bis auf wenige untergegangen waren. In erster Linie ist sie als die Begründerin des weimarischen Museums zu betrachten. Eine besondere Pflege ließ sie, die selbst Componistin war, den musikalischen Bestrebungen angedeihen, indem sie nicht allein Musiker ausbilden ließ, sondern auch theoretischen Studien sich hingab. In allen Zirkeln zeigte sie sich als Mittelpunkt der Bewegung, und in dem Maße als sie anregte, strebte sie selbst nach eigner Vervollkommnung. Ihre Sprachstudien, welche sich auf das Lateinische und Griechische, das Englische und Italienische erstreckten, sind mit bewundernswerther Ausdauer getrieben und von großen Erfolgen begleitet gewesen. Der Oberflächlichkeit, welche leicht in ihren Kreisen durch zersplitternde Thätigkeit Platz greift, gründlich abhold, war sie nicht allein Uebersetzerin, sondern auch Dichterin in einigen dieser fremden Sprachen, welche sie mit bewundernswerthem Fleiße betrieb, gewöhnt, sich durch schriftliche Arbeiten von diesen ernsten Studien ebenso gewissenhafte Rechenschaft, als von ihrer Lectüre überhaupt zu geben. Nur der eignen Muttersprache ist sie Dank dem Zug der Zeit nie mächtig geworden, wie auch die künstlerischen Versuche im Zeichnen und Malen hinter ihren Erwartungen weit zurückgeblieben sind. In umfassender Weise vorgebildet, zog sie 1787 nach Italien, dem Lande, das sie nicht allein durch die glänzenden und verlockenden Schilderungen eines Herder und Goethe, sondern um ihrer geistigen Richtung selbst willen lieb gewonnen. Fast zwei volle Jahre ging sie völlig in diesem Leben auf und was sie aus ihm auf den heimischen nordischen Boden verpflanzte, das hat Goethe einst in der eben erst bekannt gewordenen Widmung seiner venetianischen Epigramme so schön ausgesprochen: „Sagt, wem geb ich dieses Büchlein? – Der Fürstin, die mirs gegeben, die mir Italien jetzt noch in Germanien schafft.“ Wie Unzählige ihrer Zeitgenossen ihr Anregung, Unterstützung und Förderung ihrer Lebenszwecke danken, so erfreut sich noch die Nachwelt in Weimars Umgebungen, in Tiefurt, Ettersburg, Belvedere ihrer Bestrebungen, mit denen sie dem Stück Erde die Reize der Natur zu entlocken wußte. Von der Natur trefflich begabt, durch das Aeußere ausgezeichnet, Fürstin im wahrsten Sinne des Wortes, ist sie ihren Humanitätsbestrebungen in Ausübung wahrer Demuth alle Zeit gerecht geworden. Von den Mitlebenden verehrt bis zur Vergötterung, hat sie in Wort und That das den „Fürsten verderbliche Gift“ von sich abgewehrt und auch in dieser Beziehung ein fürstlich Leben gelebt. Spät am Abend desselben von harten Verlusten durch den Tod eines zärtlichen Vaters und Bruders, durch den Hingang ihres zweiten Sohnes, nochmals aber durch die Schicksalsschläge des Jahres 1806 erschüttert, wo das von ihr gepflegte Land und das weimarische Haus seinem Untergang nahe stand, verschied sie zu früh 10. April 1807.

(Mit Ausnahme von Goethe’s Nachruf, der in den S. Werken gedruckt ist, mangelt es noch an einer genügenden Biographie; vgl. jedoch die betr. Aufsätze des Unterzeichneten in den Grenzboten von 1871 und 1872 und Beaulieu-Marconnay, Anna Amalie, Carl August u. d. Minister v. Fritsch. 1874.