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ADB:Aschbach, Joseph Ritter von

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Artikel „Aschbach, Joseph Ritter von“ von Karl Schrauf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 59–68, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Aschbach,_Joseph_Ritter_von&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 23:40 Uhr UTC)
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Aschbach: Joseph Ritter von A., geboren zu Höchst am Main im Nassauischen am 29. April 1801, † zu Wien am 25. April 1882. Ein stilles, der Forschung und der Lehre mit gleicher Innigkeit gewidmetes Dasein, eine Art Priesterthum der Wissenschaft, fern von allem Ehrgeiz und jedem falschen Schein, – das war Aschbach’s Lebenslauf. Wer von seinen zahlreichen Schülern seine Erscheinung sich vergegenwärtigen will, dem steht er deutlich vor der Seele, der schlichte Mann von mittler Größe mit den linkisch-schüchternen Geberden, von sprudelndem Eifer beim Vortrage, aber nicht im Stande, fließend einen Satz aus dem Gedächtniß wiederzugeben und daher zumeist aus seinem Hefte eintönig vorlesend; der selten oder niemals sich vom Gegenstande zu höherem Schwunge fortreißen ließ, dessen Persönlichkeit ganz und gar wie etwas Nebensächliches zurücktrat hinter das, was er sprach und lehrte; der maßlos bescheiden in seinem Auftreten, treu und gewissenhaft in der Arbeit, hingebungsvoll in seinem Lehrberuf, warm mitfühlte mit jedem, den er einmal als aufrichtigen Jünger seiner Wissenschaft erkannt hatte. Frommen Gemüthes, von einer strenggläubigen Mutter in der katholischen Religion erzogen, war er doch in Wort und Schrift von nichts so sehr entfernt als von religiöser Unduldsamkeit; jede ehrliche Meinung und jedes Bekenntniß achtete er, und obwol er gewissermaßen als der [60] officielle Vertreter der katholischen Wissenschaft an die Wiener Hochschule berufen war, so brachte er doch allen seinen Schülern ohne Ausnahme die gleiche herzliche Zuneigung entgegen, nicht aus Indifferentismus, sondern aus idealer Humanität. Seitdem ist, mit Joh. Friedr. Böhmer zu reden (Briefe III, 92), die Wissenschaft gewachsen aber nicht die Liebe. Freilich, neue Bahnen hat er der historischen Disciplin nicht gewiesen; allein was er für sie geleistet, ist nicht bloß dem Umfange nach bedeutend. Als die einzelnen Abtheilungen seiner spanischen Forschungen und dann seine Studien über die römischen Legionen erschienen, wurden sie allgemein, auch im Auslande, mit größtem Interesse aufgenommen und gehörten lange zu dem Besten, was die deutsche Geschichtswissenschaft besaß; heute freilich sind sie schon wieder vielfach überholt. Das heißt: an der kritischen Behandlung des Materials, soweit es ihm damals vorlag, an der schlichten Darstellung ist wol auch jetzt nicht viel auszusetzen, allein das Material selbst hat sich seit drei Jahrzehnten, insbesondere auf dem Gebiete der römischen Epigraphik so sehr ins Ungeheure vermehrt, daß zusammenfassende Darstellungen aus der Zeit vor Erscheinen des Corpus Inscriptionum latinarum (1862 ff.) wie aus einem anderen Jahrhundert anmuthen. Indessen schimmert die gründliche und liebevoll bis ins Kleinste sich vertiefende Arbeitsweise aus jeder einzelnen seiner Monographien noch immer hervor, und man erkennt deutlich in ihnen das Ergebniß eines arbeitsreichen Lebens. Von Kindheit an gewohnt an strengstes Haushalten mit der Zeit, wie alle, die sich schon früh auf sich selbst angewiesen sehen und sich fortbringen müssen, wo andere glücklichere Menschenkinder ihre goldene Jugend verträumen, gab es für ihn zeitlebens nur den einen Stundenplan: lernen und unterrichten. In seine Jugendzeit fiel die ärgste Noth der Franzosenkriege, die für ihn nicht bloß eine allgemeine Calamität waren, sondern der Ruin seiner Familie. Neun Jahre alt, mußte er zuerst des Lebens Ernst fühlen. Sein Vater, der bis dahin ein wohlhabender Kaufmann gewesen, verließ mit dem geringen Rest seiner Habe, den ihm die Feinde gelassen, die Heimath, zog nach Heidelberg, wo er, um sich durch ehrliche Arbeit eine neue Existenz zu gründen, den Gasthof „zu den drei Königen“ kaufte; allein der energische Mann büßte da auch noch den letzten Groschen ein und bald mußten die Kinder trotz ihrer frühen Jugend dem Vater die Bürde tragen helfen. Aber wie aus Gerhard, dem älteren Sohne, der damals als Kellnerjunge sich nützlich machte, nachher noch ein tüchtiger und angesehener Jurist wurde – er ist am 20. April 1842 als badischer Hofgerichtsrath gestorben –, so war es für den jüngeren Sohn, unseren Joseph, entscheidend fürs ganze Leben, daß er so frühzeitig, schon als Heidelberger Gymnasiast, zum Stundengeben gezwungen war; wer konnte da besser als er die alte Wahrheit des (docendo discimus erproben? Als Primus verließ er 1819 das Gymnasium und bezog, nachdem ihm inzwischen Vater und Mutter gestorben waren, gänzlich mittellos und dennoch frischen, ungebeugten Muthes die Heidelberger Universität. Da war es vor allem Creuzer, damals auf der Höhe seines Ruhmes, dessen Vorlesungen über classische Archaeologie, Symbolik und über die Geschichte der Philologie A. hörte und an dessen Uebungen im philologischen Seminar, wo Platon und Herodot gelesen wurden, er eifrig theilnahm. Rechnet man noch eine Anzahl Collegien bei den Philologen Bähr, Heinrich Voß dem Jüngeren und Kayser dazu, so sieht man ungefähr, welche Richtung seine Studien nahmen, aber man erkennt aus den wenigen Collegien, die er bei Schlosser über mittelalterliche Geschichte hörte, wol schwerlich den künftigen Historiker, und doch waren gerade diese oder vielmehr Schlosser’s persönlicher Einfluß für Aschbach’s Zukunft entscheidend. Nach dem Abgangszeugnisse zu urtheilen, war er, als er die Universität im J. 1823 verließ, entschieden classischer Philologe; denn es war der für einen Lehramtscandidaten [61] vorgeschriebene Cursus, den er einhalten mußte, und ein nahes, praktisches Ziel ins Auge zu fassen, zwangen ihn seine noch immer höchst bescheidenen Verhältnisse. Von Glück konnte er noch sagen, daß er als Candidat nicht eben schlecht bezahlten Privatunterricht an junge Ausländer aus reichen Familien, die in Heidelberg studirten, ertheilen konnte, und als er sein Staatsexamen als Gymnasiallehramtscandidat hinter sich hatte, wurde ihm sogar eine in mancher Hinsicht sehr verlockende Hofmeisterstelle bei einer kurländischen Familie angeboten. Und gerade als er daran war, sich selbst aus dem Vaterlande zu verbannen, kam unvermuthet die Berufung an die katholische Selectenschule in Frankfurt a. M., die unter der Oberaufsicht einsichtsvoller Männer stand, denen Schlosser’s Empfehlung als die sicherste Bürgschaft einer guten Wahl erschien; Schlosser aber hatte A. in seinen historischen Uebungen näher kennen gelernt und ihm zuerst ein größeres Interesse für diese Disciplin eingeflößt. Fürs erste mußte die Historie freilich wieder in den Hintergrund treten, da ihm an dieser Schule der Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache in der oberen Classe anvertraut wurde (Juni 1823). Seine freien Stunden nützte er indeß so trefflich aus, daß er noch im selben Jahre mit der Dissertationsschrift: „De Theopompo Chio historico“ das philosophische Doctorat an der Universität Marburg erwarb (30. December 1823). Wenige Monate später wurde er auch durch die Verleihung des Professorentitels ausgezeichnet, der ihm durch das ganze Leben als der schönste und ehrenvollste erschien. Auf Schlosser’s Antrieb begann A. nun neben seiner Lehrthätigkeit kritische Anzeigen für die Heidelberger Jahrbücher zu schreiben, von denen eine der frühesten (1826) die über Conde’s Geschichte der arabischen Herrschaft in Spanien war und als erstes Anzeichen seines lebhaften Interesses für spanische Geschichte, die ihn fast 20 Jahre hindurch beschäftigen sollte, gelten kann. Sein erstes selbständiges Werk auf diesem Felde war sodann eine als Gegenstück zu Manso’s Geschichte der Ostgothen entworfene „Geschichte der Westgothen“ (Frankfurt 1827), die sowol als erster Band einer Geschichte Spaniens als auch als selbständiges Werk angesehen werden kann. Hier erzählte er die Wanderungen und Schicksale dieses Volkes von den ältesten Zeiten bis zu seinem Untergange zum ersten Mal vollständig; denn in den älteren von ihm zu Rathe gezogenen spanischen Werken war die Geschichte der Westgothen erst von der Zeit ihrer Niederlassung auf der pyrenäischen Halbinsel behandelt. Daß später Lembke in seiner spanischen Geschichte (1831) fast ganz auf Aschbach’s Untersuchungen fußte und selbst an der äußeren Eintheilung des Stoffes festhielt, sieht man auf den ersten Blick; ebenso gilt dies von dem, was über die Staatsverfassung gesagt ist; nur die Gesetzgebung hat Lembke ausführlicher behandelt. Zwei Jahre darauf lieferte A. die Fortsetzung in dem zweibändigen Werke: „Geschichte der Ommaijaden in Spanien nebst einer Darstellung des Entstehens der spanischen christlichen Reiche“ (Frankfurt 1829–30), worin er es zum ersten Male unternahm, zu gleicher Zeit und mit gleicher Ausführlichkeit die Geschichte der mohamedanischen und christlichen Staaten auf der Halbinsel darzustellen. Das Material hierzu schöpfte er aus den von Murphy und Conde in Uebersetzung mitgetheilten arabischen Quellen (zu deren selbständigem Verständniß ein Heidelberger Colleg über arabische Sprache wol nicht ausgereicht haben mochte) und beutete zuerst die in den umfangreichen Werken des Jesuiten Masdeu und in der España Sagrada des Augustiners Florez aufgestapelten litterarischen Schätze gewissenhaft aus. Auch darin ist ihm später Lembke treulich nachgefolgt. Den Schluß dieser Untersuchungen bildete seine „Geschichte Spaniens und Portugals zur Zeit der Herrschaft der Almoraviden und Almohaden“ (Frankfurt 1833–37, 2 Bände), nachdem er mit einer kleineren Studie unter dem Titel „Geschichte der Heruler und Gepiden“ (Frankfurt 1835) noch einmal in die Zeit der Völkerwanderung [62] zurückgegriffen hatte. Alle diese Arbeiten fanden nicht nur bei den Fachgenossen den wohlverdienten Beifall – bis auf einige Unebenheiten im Stil, die Schlosser nur deshalb etwas schulmeisterlich hervorhob (Arch. f. Gesch. u. Litt. I, 273 ff.), um diesen Fehler an Heeren um so schärfer rügen zu können (vgl. Eilers, Wanderungen I, 142) – sondern sie galten auch im gebildeten Publicum, dem das romantische, von orientalischen Elementen umsponnene Mittelalter äußerst anziehend war, als eine gediegene Lectüre. In Frankreich beeilte man sich sogar, die Ergebnisse seiner gesammten spanischen Forschungen möglichst getreu und rasch, zum Theil nach den noch druckfeuchten Aushängebogen zu übersetzen und sie dadurch einem größeren Leserkreis als der Autor wol geahnt hatte, zugänglich zu machen (Paquis, Histoire d’Espagne et de Portugal, Par. 1836).

Wie fruchtbar also die Frankfurter Zeit für Aschbach’s wissenschaftliche Production sich gestaltete, so schloß er sich deshalb doch nicht ganz in seine Studirstube ein, sondern besuchte fleißig Gesellschaften und knüpfte da manche werthvolle und dauerhafte Beziehung an zu den dortigen Gelehrten, sowie zu den vornehmen schöngeistigen Patricierkreisen, die für die alte Reichsstadt seit jeher so charakteristisch gewesen sind. Unter diesen waren es hauptsächlich die Brentano, Bürgermeister Thomas, v. Fichard, Senator Vogt und Rath Schlosser, aus Künstlerkreisen Passavant und Hübsch, denen er sich anschloß. Auch Radowitz lernte er hier kennen und kam nicht selten in die Lage, ihm in historischen Dingen Auskunft und beim Autographensammeln nützliche Rathschläge zu geben, wofür ihm der geistreiche Staatsmann immer dankbar blieb. In jeder Hinsicht weitaus am bedeutsamsten war aber der innige Freundschaftsbund, den er mit Joh. Friedr. Böhmer schloß: das war der Mann, den er fortan in allen Stücken, in der Wissenschaft und nicht minder in der religiösen und politischen Anschauung, kurz in der ganzen Lebensführung als das unerreichbare Muster verehrte. War Böhmer’s kerniger Charakter ganz darnach angethan, jüngeren congenialen Leuten mächtig zu imponiren, wie sehr mußte da erst der bescheidene, am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn stehende A. sich durch das Vertrauen und die Zuneigung des wenn auch nicht an Jahren, so doch an litterarischer Reputation ihn weit überragenden Freundes geehrt fühlen! Denn es war nicht bloß auf der Stadtbibliothek, wo sie einander täglich begegneten; Böhmer zog A., da er dessen solide historische Kenntnisse schätzte, seinen „Dienstag-Abenden“ bei, an denen er einen auserwählten Kreis von erprobten Gesinnungsgenossen um sich versammelte, und im näheren Umgang mit A. erkannte er bald, daß es bei ihm nicht wie bei so manchem anderen jüngeren Gelehrten darauf ankam, dem wachsenden Selbstbewußtsein einen wohlthätigen Zügel anzulegen, sondern vielmehr durch anerkennende Worte anzueifern und die stets unverminderte Arbeitslust auf entsprechende Aufgaben zu lenken. Schon im J. 1828 schrieb Böhmer an den Freiherrn v. Stein, A. sei ein junger Mann, der Kenntnisse und Verstand besitze und, wie er glaube, eine gute, sicher keine schlechte Arbeit liefern werde; damals handelte es sich um Herausgabe „germanischer Scriptoren vor 500“ durch den Thüringischen Verein, wobei A. den Idatius ediren sollte. Böhmer’s Einfluß mag es auch zuzuschreiben sein, daß A. auf die Urkundenschätze Frankfurts, insbesondere auf das hier in seltener Vollständigkeit vorhandene Material zur Reichsgeschichte im Anfang des XV. Jahrhunderts aufmerksam wurde; denn bis dahin hatte er wol kaum mit Originalurkunden zu thun gehabt. Hier galt es eine Lücke in der Historiographie auszufüllen, aber freilich auch eine Arbeit zu leisten, die infolge der mannigfaltigsten in Betracht kommenden Strömungen und Interessen an Schwierigkeit nicht leicht übertroffen werden konnte, und A. unternahm sie. Seine „Geschichte K. Sigmund’s“ (Hamburg 1838–1845, 4 Bde.) ist ein vielbenütztes und viel ausgeschriebenes Buch geworden und ist es noch [63] bis heute. Nicht mit Unrecht hat Jemand bemerkt, daß es eher eine „Geschichte K. Sigmund’s und seiner Zeit“ sei, d. h. daß nicht die Person des Kaisers vorzugsweise, sondern die europäischen Begebenheiten zu seiner Zeit aneinander gereiht werden, ja man kann vielleicht sagen, daß Sigmund überhaupt nicht den Mittelpunkt der Darstellung bildet und daß Aschbach’s an lebhaften Farben ohnehin nicht reiche Palette diesmal, wo es galt, ein besonders farbenprächtiges Gemälde, eine Heerschau über alle Culturvölker des Abendlandes und den Abglanz des römischen Kaiserthums vor das Auge des Lesers zu zaubern, – dieser Aufgabe nicht ganz gewachsen war. An gutem Willen und eisernem Fleiß hat er es aber durchaus nicht fehlen lassen, und deshalb ist auch sein Buch bis heute unentbehrlich geblieben, und wer weiß, wann sich ein Nachfolger findet, der ihn verdrängen wird; Reichstagsacten, Regesten und Eberhard Windeck’s Geschichtsbuch, von denen sich A. seiner Zeit Zeile für Zeile mühsam erkämpfen mußte, liegen jetzt zu Jedermanns bequemem Gebrauch bereit.

In Anerkennung dieser Leistungen erhielt A. im April 1842 vom Minister Eichhorn eine Berufung an die Universität Bonn als ordentlicher Professor der Geschichte. An einer Mittelschule, wie in Frankfurt, war er ja nicht an richtigem Platze; er gehörte auf die Universität, und schon im J. 1836 hatte ihn Böhmer nach Tübingen empfohlen, wo man damals nach einem tüchtigen Historiker auf der Suche war. Nun bot sich die Gelegenheit, einen ihm mehr zusagenden Wirkungskreis an einer so angesehenen Hochschule zu erlangen, an der Seite Dahlmann’s und Loebell’s zu lehren, und dies bestimmte ihn auch, den Ruf anzunehmen und die ihm zur Heimath gewordene Stadt Frankfurt, wo er beinahe 20 Jahre im Kreise zahlreicher Freunde gelebt hatte, zu verlassen. Im Juli 1842 erhielt er das Ernennungsdecret, im September übersiedelte er nach Bonn. Schon wenige Wochen später klagte Böhmer, er habe jetzt in Frankfurt keinen Menschen mehr, der genug unterrichtet wäre, um mit ihm die neueren Litteraturerscheinungen zu besprechen; der „Dienstag-Abend“ sei verödet; ihm fehle der Freund, „der mit reichem Wissen eine so edle Bescheidenheit verband und für eine emsige Benützung der Zeit als Muster aufgestellt werden konnte“ (Janssen, Böhmer I, 265). In Bonn aber begann A. sogleich seine Vorlesungen, während er die nach akademischem Brauche übliche Antrittsrede: „De scribendae historiae Germanicae ratione“, wozu die Dissertation „De Cidi historiae fontibus“ einlud, erst am 1. Juli des folgenden Jahres hielt. Blickt man nun zunächst auf seine fernere akademische Thätigkeit, so hat A. während seines elfjährigen Wirkens an der Universität Bonn in jedem Semester wenigstens zwei Vorlesungen gehalten, eine größere von vier bis fünf Stunden und eine kleinere von zwei Stunden wöchentlich, ja in manchem Semester kam noch eine dritte ein- oder zweistündige Vorlesung hinzu. Neben der alten griechischen und römischen Geschichte las er Geschichte des Mittelalters, speciell Geschichte der sächsischen, fränkischen und schwäbischen Kaiser, der deutschen Nationalherzogthümer, des 15. Jahrhunderts und spanische Geschichte im Mittelalter; außerdem ein großes Colleg über neuere Geschichte und ein kleineres über Geschichte des 18. Jahrhunderts und über die abendländische Litteratur des früheren Mittelalters, und hielt historische Uebungen über alle Gebiete der Geschichte ab. Eine weitere Wirksamkeit als Mitglied der Prüfungscommission für Candidaten des höheren Lehramtes bestand in der Abhaltung der Prüfungen und in der Beurtheilung der schriftlichen Elaborate. Und neben allen diesen äußerst zeitraubenden Arbeiten fand der unermüdliche Mann auch in Bonn wieder Muße für schriftstellerische Thätigkeit. Zunächst vollendete er die großentheils bereits in Frankfurt ausgearbeitete „Geschichte der Grafen von Wertheim“ (Frankfurt 1843, 2 Bände), zu der ihn der Erbprinz Constantin v. Löwenstein-Rosenberg (vgl. Neuer Nekrolog der [64] Deutschen 1839, S. 1012) angeregt hatte, nach dessen frühzeitigem Tode A. von der fürstlichen Familie zur Durchforschung der herrschaftlichen Archive ermächtigt wurde. Es gelang ihm, die Reihe der Grafen v. Wertheim bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts hinauf zu verfolgen und zahlreiche Urkunden ans Licht zu ziehen, durch die nicht nur die Geschichte des Wertheimischen Geschlechtes, sondern auch noch vieler anderer Adelsfamilien große Bereicherung erfuhr. „Ich wünschte“, schrieb ihm Böhmer über dieses Werk, „daß Thomas das erlebt hätte; ihm hätte es sicher die größte Freude gemacht, denn er suchte Sie mit heimlichem Plan von den ausgetretenen Wegen der Schule auf den grünen Anger des Urkundenstudiums zu lenken, auf dem Sie nun noch ganz unberührte Blumen gepflückt haben.“ War also die den mittelalterlichen Pergamenten zugewendete Sorgfalt nicht vergeblich gewesen, so überließ A. für die Zukunft dieses Gebiet doch lieber den Diplomatikern vom Fach; ihm, der den Ausgangspunkt seiner in der classischen Philologie wurzelnden Studien niemals verleugnete, war doch nicht ganz behaglich dabei zu Muthe, und hätte ihm Böhmer nicht gedroht: „Daß ich in Ihren Grafen v. Wertheim nur kein ae finde“! – wer weiß, ob sich seine classische Feder nicht gesträubt hätte, das einfache e in den Wertheimer Urkunden stehen zu lassen. Die vielfachen Beziehungen, die A. jetzt zu seinen Collegen von der theologischen Facultät, zu Dieringer, Clemens, Floß, Heimsoeth und Hilgers unterhielt, führten ihn aber zunächst auf kirchenhistorisches Gebiet. Aus eigener Erfahrung wußte er, wie mühsam man irgend eine zuverlässige Belehrung suchen mußte, wenn es sich um einen Gegenstand der Liturgik, Dogmatik oder der Kirchengeschichte handelte; da lag der Gedanke nahe, ein verläßliches und möglichst compendiöses Wörterbuch zum Gebrauch für Gebildete aller Stände, insbesondere für katholische Geistliche zusammenzustellen. So entstand Aschbach’s „Kirchenlexikon“ (Frankfurt und Mainz 1846–1850, 4 Bände). Seine eben genannten Freunde von der theologischen Facultät und hervorragende Fachmänner wie Alzog, Binterim, Gams, Hefele, Kunstmann, Reichensperger, Roßhirt, Sparschuh und Walter steuerten nach Kräften aus ihren speciellen Gebieten bei, A. selbst übernahm die Redaction des Ganzen und lieferte viele Artikel kirchengeschichtlichen und litterarischen Inhalts. Wie viele Aufsätze von ihm stammen, ist schwer zu sagen, da der bescheidene Mann nur den geringsten Theil, eigentlich nur die Aufsätze über die Päpste, Bischöfe, Heilige und über einige Kirchenschriftsteller mit vollem Namen unterzeichnete, mehrere hundert Artikel hingegen bloß mit „A“ (und vielleicht auch mit anderen Chiffern) signirte, offenbar weil er als tactvoller Redacteur seine Mitarbeiter nicht verdunkeln wollte; allein wer erkennt ihn nicht auch in dieser Verhüllung als Autor, etwa des Artikels „Kaiserkrönung“ (III, 668–679)? Inhaltlich bieten seine eigenen Beiträge eine gute Zusammenfassung des bis dahin bekannten Materials. Fern von aller gehässigen Polemik lassen sie es aber auch gelegentlich nicht an freimüthigen Aeußerungen fehlen (vgl. Art. Papst Alexander VI., Bd. I, 139). Die größte Schwierigkeit bestand aber wol in der redactionellen Arbeit, in dem vielfachen Umgießen und Verändern der eingelangten Beiträge, im Verkehr mit den Buchhändlern, da die Andraeische Buchhandlung in Frankfurt a. M. plötzlich in Concurs gerieth und der Verlag an Kirchheim in Mainz überging, und endlich im unaufhörlichen Mahnen und Erinnern der säumigen Mitarbeiter; denn derartige Unternehmen waren damals noch nicht zu dem fabrikmäßigen Großbetrieb unserer Tage gediehen, wo es sogar Anleitungen für unerfahrene Beitragslieferanten gibt, und als Muster konnten höchstens Fuhrmann’s und Neudecker’s Lexica dienen, während Wetzer und Welte merkwürdiger Weise fast gleichzeitig mit Aschbach’s Kirchenlexikon erschien (vgl. Gla, Repertorium, S. 16–17). Heute ist von den beiden Concurrenten die letztgenannte Encyklopädie in der neuen Auflage auf der Höhe der Wissenschaft, [65] A. hingegen, dem eine Neubearbeitung nicht beschieden war, so gut wie veraltet. Glücklich mochte er sich schätzen, daß das schwierige Werk in sechs Jahren fertig war. Er lebte jetzt, so viel man urtheilen kann, in den angenehmsten Verhältnissen, erfreute sich des glücklichsten Familienlebens und war beliebt bei seinen Collegen und Zuhörern, ja er konnte sich sagen, daß seine Vorlesungen, obwol sie nicht zu den sogen. Zwangscollegien gehörten, in der Regel sehr zahlreich und fleißig besucht wurden, und daß sich allmählich ein Kreis von Schülern um ihn scharte, zu dem mancher hoffnungsvolle junge Gelehrte zählte wie Hopf, Janssen, v. Gutschmied, Wilhelm Schmitz, namentlich aber Ficker, auf den er nach Böhmer’s Urtheil sich „etwas einbilden“ durfte. Dachte er daher wol kaum an irgend eine Veränderung seiner Lage, so traf es sich doch gerade zu Beginn der fünfziger Jahre, daß man in Wien nach dem Tode des im J. 1849 aus Münster dahin gekommenen Historikers Grauert († am 10. Januar 1852) nach einem passenden Ersatz Umschau hielt. Zunächst hatte man auf Betreiben des Ministerialrathes Feil vorzüglich an den um die Habsburgergeschichte verdienten J. E. Kopp in Luzern gedacht; als aber dieser wegen seines vorgerückten Alters und weil man im Auslande noch sehr wenig Vertrauen zu den Wiener Verhältnissen hegte, die Professur anzunehmen zögerte, wandte man sich – offenbar war Böhmer dabei wieder mit einer nachdrücklichen Empfehlung thätig gewesen – an A. Hatte dieser noch kurz vorher einen Ruf nach Graz mit Rücksicht auf seine ihn durchaus zufriedenstellende Position in Bonn abgelehnt, so erschien ihm doch die Kaiserstadt an der Donau trotz aller Theuerung der Lebensmittel und Wohnungen, vor der man ihn allerorten warnte, als ein hoffnungsvoller Boden für seine akademische Thätigkeit, und deßhalb erklärte er sich im Herbste 1853 zur Annahme bereit. Den raschen Entschluß bewundernd schrieb ihm damals Böhmer: „Wie bedeutend ist doch der Moment für einen katholischen Geschichtslehrer, da nun eben erst die katholischen Vereine in der Kaiserburg sich versammelten; wann war dergleichen erhört!“ – und dann wieder: „Bedeutend und erhebend ist der Beruf, dem österreichischen Kaiserstaat in seinen vereinten Völkern, vom Standpunkt deutscher Bildung aus, zu historisch-politischem Betrachten und Erzählen Sinn und Mund öffnen zu helfen und so in der vaterländischen Litteratur zu einer Wiederherstellung des durch den Nordosten bedrohten Gleichgewichtes mitzuwirken!“ (Janssen, Böhmer 3, 178). Von solchen Ideen getragen schied A. aus seinem Bonner Wirkungskreise, den er im Laufe von elf arbeitsreichen Jahren liebgewonnen hatte, neuen und höheren Zielen entgegeneilend, doch nicht ganz ohne Sorge für die Zukunft. Die Wiener Professur für allgemeine Geschichte und die Leitung des damals so benannten „philologisch-historischen“ Seminars mit einem Gehalt von 4500 Gulden schien wol recht annehmbar, allein wie viel kam darauf an, wie sich für ihn die völlig ungewohnten Verhältnisse gestalten würden. Konnte ein Anderer auf die Wirkung einer imponirenden Persönlichkeit oder auf den Zauber eines hinreißenden Vortrags bauen, so war A. sich wol bewußt, nichts von all dem zu besitzen, was ihm über die ersten Schwierigkeiten hätte hinweg helfen können. Auch Böhmer fürchtete für ihn den ersten Eindruck, aber er vertraute doch auf den endlichen Sieg des ehrlich strebenden Freundes. In Wien angekommen (October 1853) fand A. neben vielen wohlmeinenden Anhängern natürlich auch ebenso viele übelwollende Gegner, denen schon die Berufung des Ausländers als ein unverzeihliches Verbrechen erschien. Seine Antrittsvorlesung genügte nach dem Berichte der Allgemeinen Zeitung (28. Januar 1854), „den altgewohnten Aerger gegen Alles aus dem deutschen Ausland Stammende recht unverhüllt an den Tag zu kehren, und wo man Zeloten oder bombastische Schönredner auf dem Katheder erwartete, um über die Bedeutung und Aufgabe der Weltgeschichte zu sprechen, da konnte ein [66] nüchterner Mann der Wissenschaft, der die Resultate seiner sorgfältigen Forschungen ohne viel Redeschmuck, ohne rhetorisches Beiwerk und hohles Prasenthum brachte, nur geringe Geltung gewinnen“. Womöglich noch thörichter war es, daß man einen und denselben Mann auf der einen Seite des Ultramontanismus, auf der anderen eines gefährlichen Freisinnes zeihen hörte. Indessen ließen sich die maßgebenden Persönlichkeiten durch solches Geschwätz nicht beirren, denn sie sahen immer deutlicher ein, in A. eben jene Kraft gewonnen zu haben, deren sie zur Heranbildung einer tüchtigen Lehrerschaft und zur Vertiefung des historischen Studiums so sehr benöthigten; sie unterstützten ihn daher in seinem Bemühen und kaum war ein Jahr vergangen, als A. es bereits für angezeigt fand, seine Familie aus Bonn abzuholen. Auf der Reise traf er in der heitersten Stimmung mit Böhmer zusammen, lobte nicht nur die gute Behandlung „von oben“, sondern auch das collegiale Einvernehmen der Professoren und den anhaltenden Fleiß der Wiener Studenten. Seine engeren Fachgenossen waren anfangs nur Albert Jäger und Joh. Nep. Kaiser, ein älterer aus dem Vormärz in die neue Aera mitgenommener Historiker; erst später kamen jüngere Kräfte hinzu. Aschbach’s Vorlesungen umfaßten wie in Bonn das ganze Gebiet der Geschichte, verweilten aber mit Vorliebe beim Alterthum und fanden jedesmal eine wichtige Ergänzung in den Seminarübungen, wo er über schwierigere Punkte des gerade behandelten Zeitraumes, über Quellen und neuere Litteratur ausführlich zu sprechen pflegte. Außerhalb der Universität verkehrte er mit der sogen. „Dienstags-Gesellschaft“, zu welcher Karajan, Birk, Feil, Chmel, Fiedler, Helfert und Firnhaber gehörten, in der freundschaftlichsten Weise; endlich bot ihm die kais. Akademie der Wissenschaften, die ihn am 18. October 1855 zum correspondirenden und am 12. Novbr. 1856 zum wirklichen Mitglied gewählt hatte, vielfache Anregung, die sich in eifriger Betheiligung an den akademischen Publicationen äußerte. Hatte er schon in Bonn die Geschichte der römischen Legionen und die sie betreffenden Inschriften zum Gegenstande seines Studiums gewählt, auch Einiges darüber in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande (Band 19–21) mitgetheilt, so wendete er sich jetzt mehr den Donaulegionen zu, über die er eine Reihe von Monographien veröffentlichte: „Die römischen Legionen-Prima und Secunda Adjutrix in Niederpannonien“ (Wiener S.B. XX, 1856); „Die Bojer und Azalier unter Kaiser Trajan in Pannonien“ (Wien 1858, Sylvesterspende); „Ueber Trajans steinerne Donaubrücke“ (Wiener Centralcommission Bd. III, 1858); „Ueber die römischen Militärstationen im Ufernoricum zwischen Lauriacum und Vindobona“ (S.B. XXXV, 1861); „Beiträge zur Geschichte der römischen Legio X. Gemina in Vindobona“ (Wiener Alterthumsverein Bd. V, 1861); „Die britannischen Auxiliartruppen in den Donauländern“ (Jahrb. f. vaterländ. Gesch., Wien 1861); „Ueber das römische Heerwesen in Pannonien im ersten christlichen Jahrhundert“ (Wiener Alterthumsverein Bd. X, 1869, besonders über die Leg. XIII. Gemina, XV. Apollinaris, XXX. Ulpia). Die übrigen Aufsätze über römische Geschichte waren: „Ueber römische Kaiser-Inschriften mit absichtlichen Namentilgungen“ (Wiener S.B. XXIV, 1857); „Ueber die Zeit des Abschlusses der zwischen Rom und Karthago errichteten Freundschaftsbündnisse“ (Das. XXXI, 1859); „Die Consulate der Kaiser Augustus und Tiberius“ (Das. XXXV, 1861); „Die Consulate der röm. Kaiser von Caligula bis Hadrian“ (Das. XXXVI, 1861); „Livia“ (Denkschriften XIII, 1864); „Die Anicier und die römische Dichterin Proba“ (S.B. LXIV, 1870); „Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe“ (Das. LXXIX, 1875). Mitten in diese immer weiter ausgreifenden, einander ergänzenden Arbeiten fiel ein ganz und gar davon verschiedenes Unternehmen, wozu ihn weder sein Beruf noch seine Neigung, sondern die äußeren Umstände veranlaßten. Als nämlich im J. 1863 ein Comité zusammentrat, um die Vorbereitungen für die 500jährige Jubelfeier der Wiener [67] Hochschule zu treffen, wurde man darüber einig, eine Geschichte der Alma Mater Rudolphina schreiben zu lassen, und als Verfasser konnte man keinen gewissenhafteren Gelehrten finden als A., dessen Bereitwilligkeit mit dieser Arbeit ein ihm gänzlich fremdes Gebiet zu betreten, schon an und für sich nicht etwa bloß ein Liebesdienst, sondern geradezu ein Opfer war. Andererseits erkannte er sofort, daß eine Darstellung der ganzen 500jährigen Universitätsgeschichte in einem Wurfe seine Kräfte überstieg, ja in der kurzen Spanne Zeit von zwei Jahren, die ihm damals zur Verfügung stand, gänzlich unausführbar war. Indem er sich daher auf das erste Säculum beschränkte, schilderte er die Gründungs- und Verfassungsgeschichte nach den bereits von Rudolf Kink veröffentlichten Urkunden, stellte eine recht ansprechende Chronik der Ereignisse bis 1465 zusammen und fügte daran 57 kurze Lebensskizzen der ältesten als Schriftsteller berühmten Wiener Universitätsprofessoren. Mit gewohnter Pünktlichkeit übergab er zum bestimmten Termin dem Consistorium die bestellte Arbeit und erhielt dafür das Zeugniß, daß es eine „wahrhaft classische“ sei (Schroff, Bericht ü. d. 500jähr. Jubelfeier d. W. Univ. 1865, S. 10). In der That wird Niemand der das unter dem Titel: „Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens“ (Wien 1865) als Festschrift erschienene Buch prüft und damit die unglaublich kurze Entstehungszeit von zwei Jahren zusammenhält, dem Verfasser die aufrichtigste Bewunderung versagen können; etwas anderes freilich ist es, ob die Aufgabe überhaupt in dieser Zeit lösbar war, wo das zumeist recht anstrengende Studium der handschriftlichen Universitäts- und Facultäts-Acten, der Universitäts-, Facultäts- und Nationsmatrikeln, wo endlich die mindestens cursorische Lectüre der von den behandelten Schriftstellern hinterlassenen Werke weder in zwei, noch in fünf oder zehn Jahren absolvirt werden kann. Es kommt eben in der Wissenschaft niemals darauf an, wie langsam oder wie schnell ein Werk entstanden ist; die unvermeidlichen Fehler der Flüchtigkeit dagegen bleiben für immer sichtbar. So rügt P. Denifle (Geschichte der Universitäten im M. A. I, 623) ein besonders auffallendes Versehen Aschbach’s, der die Stelle im Albertinischen Stiftsbrief: „anno a nativitate domini 1384“ mit „Weihnachten 1384“ übersetzte; allein wie viele Minuten konnte A. der Interpretation der ganzen Urkunde widmen, wie oft mußte er sich auf die Eingebung des Augenblickes oder auf secundäre Quellen verlassen! Der unter leidlicheren Umständen bearbeitete zweite Band, in welchem A. „die Wiener Universität und ihre Humanisten im Zeitalter K. Maximilians I.“ (Wien 1877) behandelte, ist auch weitaus verläßlicher im Detail ausgefallen; der dritte, von A. im Manuscript, aber nicht eben druckreif hinterlassene Band: „Die Wiener Universität und ihre Gelehrten 1520–1565“ (Wien 1888) ist erst nach Aschbach’s Tode erschienen. Während der Vorarbeiten zum zweiten Bande zog ihn die merkwürdige Erscheinung des Erzhumanisten Conrad Celtes so mächtig an, daß er ihm zwei inhaltreiche Monographien widmete: die eine handelte über „Roswitha und Celtes“ (Wiener S.B. LVI, 1867), worin A. die von manchen Kritikern anerkannte, überall aber Staunen erregende Vermuthung aussprach, die Werke der Gandersheimer Nonne seien eine Fälschung; in der anderen beschäftigte er sich mit den früheren Wanderjahren des Celtes (Wiener S.B. LX, 1869). Nach so vielen hervorragenden Leistungen und nach 50jährigem erfolgreichen Lehramte durfte A. sich im J. 1872, wol mit dem Bewußtsein, seine Lebensaufgabe treu erfüllt zu haben, zur Ruhe setzen. Mancherlei ehrenvolle Auszeichnungen von Seiten der Regierung, darunter die Erhebung in den Ritterstand, fehlten nicht; am meisten aber erfreuten ihn die Sympathien seiner zahlreichen, allen Nationalitäten angehörigen Zuhörer, die ihm dann noch einmal bei Gelegenheit seines 80. Geburtstages den letzten Beweis ihrer Liebe und Anhänglichkeit [68] gaben, indem sie ihm einen silbernen Lorbeerkranz widmeten, auf dessen einzelnen Blättern die Titel seiner Werke verzeichnet waren; eine Adresse aber enthielt einige hundert Namen von zum Theil hochangesehenen Gelehrten, die einst als Schüler zu seinen Füßen gesessen hatten und nun selbst eine neue Schülergeneration heranbildeten. Kurze Zeit nach dieser erhebenden Feier stellten sich bei A. die Anzeichen greisenhafter Schwäche ein und vier Tage vor seinem 81. Geburtstage verschied er, betrauert von seiner Familie und allen Freunden der Geschichtswissenschaft.

Autobiogr. Notiz im Almanach d. kais. Akad. d. Wissenschaften (Wien 1882), S. 157–168. – Kurzer Nekrolog v. Eduard Frhr. v. Sacken, im Wien. Alterthumsverein XXI, S. XVII–XVIII. – Eigenhänd. Aufzeichn. u. Originalbriefwechsel gelehrt. Inhalts, v. A.s Sohn Hrn. Landesgerichtsrath Dr. Emil Ritter v. Aschbach mir gütigst zur Verfügung gestellt.