ADB:Seibertz, Johann Suibert
Kurfürsten von Köln. Nachdem S. bis zu seinem 15. Jahre die fünf Classen des Minoriten-Gymnasiums seiner Vaterstadt durchgemacht hatte, besuchte er vom Herbst 1802 bis 1804 noch die oberen Classen des Gymnasiums in Düsseldorf. Von seinem Vater für das juristische Studium bestimmt, wurde der Besuch der Universität mit Rücksicht auf das jugendliche Alter – S. war erst 16 Jahre alt – noch um 1 Jahr verschoben. – Dagegen sandte ihn sein Vater nach Arnsberg, um dort durch den Geheimrath Engelbert Arndts in die juristische Wissenschaft eingeführt zu werden. Die Zeit vom Herbst 1805 bis 1808 erfüllte dann der Besuch der Universitäten Gießen und Heidelberg, wo zu seinen Lehrern Arens, Jaup, Grolmann, Görres, Thibaut und Zachariä gehörten. Der Tod seiner Mutter nöthigte S. zur Unterstützung des Vaters in Brilon zu bleiben, so daß er erst Frühjahr 1810 die vorgeschriebenen Examina ablegte und April desselben Jahres Accessist beim Hofgericht, 1811 Hofgerichtsadvocat und Procurator in Arnsberg wurde. Die Einverleibung seiner engeren Heimath in das Königreich Preußen wurde auch für S. von Bedeutung. 1820 als Justizamtsverwalter in Rüden angestellt, behielt er die früher übernommene Patrimonialgerichtsbarkeit in Scharfenberg bei und verwaltete auch vorübergehend das Justizamt in Belecke. Durch Familienverhältnisse verhindert, am Kampf gegen Napoleon theilzunehmen, gehörte er wenigstens im Jahre 1816 der hessischen Landwehr an und bekleidete dann bis 1820 die Stellung eines preußischen Landwehrofficiers. 1829 finden wir ihn als Gerichtsdirector in Brilon, ein Amt, das er 1837 mit dem eines Land- und Stadtgerichtsraths in Arnsberg vertauschte. 5 Jahre nach seinem [611] 50jährigen Dienstjubiläum verwaltete er noch sein Amt in Arnsberg, um 1865 sich in den Ruhestand zurückzuziehen. Seibertz’ Jugend fiel in ein Zeitalter, das wie kaum eines den Geist der Menschen auf die Zeitereignisse und auf die Bewahrerin derselben, die Geschichte, lenken mußte. An seiner engeren Heimath, dem Herzogthum Westfalen, erlebte er, wie es in kurzer Zeit nach einander aus einem kurkölnischen Gebiet, hessisches, und endlich preußisches Territorium wurde. Ihm wandte S. seine Aufmerksamkeit zu, und um die Gegenwart zu begreifen, suchte er sich die Vergangenheit klar zu machen und zwar in politischer wie rechtlicher Beziehung. – Die erste Periode von Seibertz’ wissenschaftlicher Thätigkeit, welche die Jahre von 1811 bis 1819 erfüllt, umfaßt eine Reihe von kürzeren Abhandlungen. Sie sind erschienen in mehreren Zeitschriften. 1811 gab er in Ruer’s Vaterländischen Blättern I, S. 3, 49, 193; II, 105 eine „Geschichte Heinrichs des Löwen“ heraus. In derselben Zeitschrift erschien I, 97 ein Beitrag zur Charakteristik des Zeitalters Heinrich’s des Löwen; II, 110 Nachrichten über die Schriftsteller des Herzogthums Westfalen. Unter dem Pseudonym „Eichenhorst“ veröffentlichte er im „Westfälischen Archiv“ Aufsätze mit dem Titel: „Gedanken und Meinungen, historische Aphorismen, biographische Skizzen von westfälischen Gelehrten“. Auch dem in Darmstadt erscheinenden „Rheinischen Taschenbuch“ und Mallinkrodt’s „Neuestes Magazin der Geographie, Geschichte, Statistik, überhaupt der genaueren Kunde Westfalens“ lieh er seine Feder, ebenso wie Grote’s „Jahrbuch für Westfalen“ und publicirte in ihnen unter andern „Ein Versuch einer neuen geographischen Bestimmung aller im Herzogthum Westfalen gewesenen Freistühle und Freigrafschaften“ und eine „Geschichte der Abtei Bredelar“. Auch der zweiten Periode von Seibertz’ Schriftstellerei bis 1839 verdanken wir eine Reihe von Aufsätzen. In der von Troß herausgegebenen „Westphalia“ besprach er 1825 und 1826 neben anderem die „Hofhaltung des Erzbischofs von Cöln in Soest“ und die „Geschichte von Belecke“. Auch Ledebur’s „Allgemeins Archiv für die Geschichtskunde des preußischen Staates“ enthielt 1834 im 16. Bande von ihm einen Aufsatz über „Die Landmarschälle von Westfalen“, während eine Anzahl von juristischen Abhandlungen erschienen in „Ulrich’s und Sommer’s Archiv für preußisches Recht und Verfahren, sowie für deutsches Privatrecht“, von denen die in Band 1–6 zerstreuten Aufsätze über die „Statutarrechte des Herzogthums Westfalen“ deswegen die wichtigsten sind, weil sie die Anregung zu einem selbständigen Buch über denselben Gegenstand wurden. Abgesehen von den bereits genannten Zeitschriften diente ihm namentlich das Organ des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens: die „Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde“ zur Veröffentlichung seiner Abhandlungen. Diese Wahl erklärt sich, wenn man bedenkt, daß S. einer der Männer war, welche 1824 den heute noch blühenden Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens ins Leben riefen. Die hier während der Jahre 1825–1871 erschienenen Abhandlungen sind folgende: 1) Vorschläge wegen eines vaterländ. historisch-topographischen Glossars mit einem Probeartikel: „Die Burg zu Kallenhardt“ (Archiv I, 1, 76–88 [citirt mit: A]), 2) Ueber den Verfall der westfälischen Städte, insbesondere der Stadt Rüthen (A. I, 4, 32–47). 3) die Freistühle Westfalens (A. II, 2, 117–135). 4) Uebersicht der Territorialgeschichte der Herzogthümer Engern und Westfalen und ihre statutarischen Rechte (A. II, 3, 229–291). 5) Fragmente über den Westfälischen Handel im Mittelalter (A. IV, 3, 247–269). 6) Zur Geschichte der Schulen in Westfalen (A. IV, 3, 310–314). 7) Die Kalandbruderschaft in Brilon (A. V, 1, 77–94). 8) Zur Geschichte der Handschriften des Rüdener Rechts (A. V, 1, 106–109). 9) Die Straßen des Herzogthums Westfalen. Sonst und jetzt (A. V, 92–122). 10) Karls des Großen Gauverfassung im [612] Herzogthum Westfalen (A. VI, 2/3, 111–168). 11) Walter von Plettenberg, Herrmeister des Deutschen Ordens in Livland (Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde [citirt mit: Z] XIV, 1–91). 12) Wilhelm von Fürstenberg, Herrmeister des Deutschen Ordens in Livland (Z. XIX, 221 bis 298). 13) Gotthard Ketteler, letzter Herrmeister des Deutschen Ordens in Livland und erster Herzog von Curland (Z. XXIX, 2, 1–92). 14) Alte Gewohnheiten und Gebräuche in Westfalen (Z. XV, 295–305). 15) Westfälische Legenden, Sagen, Aberglauben und Gebräuche (Z. XVI, 364–367; XVIII, 329 bis 334). 16) Geschichte der Edelherrn von Grafschaft zu Norderna und ihrer Besitzungen in der Vogtei Grafschaft und Brunscapell (Z. XII, 163–308). 17) Uebersicht der Geschichte des Regierungsbezirks Arnsberg (Z. XVI, 175–280). 18) Der Ober-Freistuhl zu Arnsberg (Z. XVII, 125–166). 19) Geschichte der Stiftung des Klosters Paradies bei Soest (Z. XVII, 267–290). 20) Der Freistuhl und das Patrimonialgericht zu Oedingen. Ein Beitrag zur Geschichte des Unterganges der Frei- oder Fehmgerichte in Westfalen (Z. XXI, 299–338). 21) Zur Topographie der Freigrafschaften – 31) Abhandlungen, welche sich in Band 23–29 der Zeitschrift finden.
Seibertz: Johann Suibert S., Dr. jur. et phil., preußischer Kreis-Gerichtsrath, geb. am 27. November 1788 zu Brilon, † am 17. November 1871 zu Arnsberg. Der Vater dieses um die westfälische Geschichtsschreibung hochverdienten, durch unermüdlichen Fleiß und klaren Blick gleichmäßig ausgezeichneten Gelehrten, war Gerichtsschreiber im Dienste desZu diesen Abhandlungen, denen noch einige kleine hinzugefügt werden könnten, kommen nun die größeren Werke. Wenn wir sie, welche theilweise durch obige Aufsätze vorbereitet wurden, ebenfalls in chronologischer Reihe aufführen, so ist zuerst zu erwähnen: „Westfälische Beiträge zur deutschen Geschichte“. In 2 Bänden 1819 und 1823 in Darmstadt erschienen, werden hier in alphabetischer Ordnung die Biographien der westfälischen Schriftsteller gegeben und ihre Schriften aufgezählt. – Im Auftrag des Justizministers v. Kamptz begann S. dann die Bearbeitung der westfälischen Statutarrechte. Von 1832 bis 1837 damit beschäftigt, erschien das Ergebniß des darauf verwandten Fleißes 1839 unter dem Titel: „Die Statutar- und Gewohnheitsrechte des Herzogthums Westfalen aus den Quellen geschichtlich und praktisch dargestellt“. Der damit wieder betretenen rechtshistorischen Richtung verdanken wir auch Seibertz’ größtes Werk: „Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen“. Dasselbe zerfällt in mehrere Abtheilungen und umfaßt erstens ein Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen in 3 Bänden. Band 1 in Arnsberg 1839 erschienen, umfaßt die Urkunden von 799–1300. 4 Jahre später gab S. den 2. Band heraus, der bis 1400 urkundliche Belege bringt, während endlich Band 3, 1854 vollendet, uns Urkunden bis 1800 vorführt. – Eine zweite Hauptabtheilung bildet die 1845 herausgegebene „Diplomatische Familiengeschichte der alten Grafen von Westfalen zu Werl und Arnsberg“ in Zusammenhang mit der 1855 erschienenen „Diplomatische Familiengeschichte der Dynasten und Herren im Herzogthum Westfalen“. Dann folgte endlich in den Jahren 1860 bis 1864 die 3. Hauptabtheilung, die eigentliche „Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen“, aus 3 Bänden bestehend. Trotz der Beschäftigung mit den eben aufgeführten Werken fand S. noch die Muße, dazwischen selbstständige Abhandlungen vorzubereiten. So erschien 1840: „Ueber das Verhältniß zwischen Leibeigenschaft und Altarhörigkeit im Herzogthum Westfalen“, 1845 eine „Chronik von Brilon“, und 1857 endlich begann er die Herausgabe der „Quellen der westfälischen Geschichte“, eine Edition, die 3 Bände umfaßte und erst 1869 vollendet wurde. – Dieser außerordentlich fruchtbaren schriftstellerischen Thätigkeit ging ein reges Interesse für das Gedeihen der Corporationen zur Seite, welche die Belebung der geschichtlichen Forschung im Auge hatten. Diesem wissenschaftlichen Streben fehlte die Anerkennung nicht. Abgesehen davon, daß ihm die philosophische und juristische Doctorwürde verliehen wurde, ernannten ihn am Tage seines 50jährigen Dienstjubiläums, dem 20. Juni 1860, die historischen [613] Vereine zu Altenburg, Antwerpen, Bonn, Cassel, Gratz, Hannover, Landshut, Mainz, Meiningen, München, Stettin, Stuttgart und Wiesbaden zum Mitglied und schilderten in ihren Diplomen mit warmen Worten seine Verdienste um die deutsche Geschichtswissenschaft.
- Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde. Band XXI, Seite 397 bis 404; Band XXXII, Anhang. – Blätter zur näheren Kunde Westfalens. Jahrgang IX, Seite 105–111.