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Ein gefährlicher Feind der Pflanzenwelt

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Titel: Ein gefährlicher Feind der Pflanzenwelt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 52
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[52] Ein gefährlicher Feind der Pflanzenwelt. Wie die Entwickelung kleinster mikroskopischer Lebewesen im thierischen Körper zu epidemisch auftretenden, wahrhaft verheerenden Krankheiten die Veranlassung werden kann, so finden wir auch im Reich der Insekten ganze Reihen von Arten, die durch ihr massenhaftes Auftreten in der Pflanzenwelt die kolossalsten Verwüstungen angerichtet haben. Viele von unseren Lesern haben schon gewiß von dem furchtbaren Eingriff gehört, welchen in der Mitte der fünfziger Jahre die Raupe der Nonne (Liparis monacha L.) in die ausgedehnten ostpreußischen Forsten machte und in ein paar Jahren, trotz des Einsammelns von etwa 300 Pfund, ungefähr 150 000 000 Eiern und der Unschädlichmachung von 1 500 000 weiblichen Schmetterlingen, eine Gesammtfläche von 32 931 Morgen in eine mit Baumleichen bedeckte Wüste verwandelte. Oder von der Larve des Getreidelaufkäfers (Zabrus gibbus F.), die in Mähren, Böhmen, im Mansfelder Kreise etc. während weniger Nächte große Flächen Weizen- und Roggensaat verschwinden ließ.

Das bandfüßige Grünauge.
a natürl. Größe. b vergrößert. c „Gicht“ des Gerstenhalmes.

Oder von dem kleinen, kaum 1 Linie langen Fichtenborkenkäfer (Bostrychus typographus L.), der in den siebziger Jahren die schönsten Fichtenbestände des Böhmerwaldes schonungslos dem Tode weihte. Oder soll ich etwa hinweisen auf die Kalamität, welcher die schönsten Weinkulturen Frankreichs, Ungarns und bereits auch schon unseres deutschen Vaterlands durch die Reblaus (Phylloxera vastatrix Pl.) bis auf den heutigen Tag noch ausgesetzt sind?

Vor kurzem vernahmen wir laute Klagen über die in einzelnen Theilen Schwedens von Insekten angerichteten Verwüstungen, namentlich auf Gersten- und Roggenfeldern. Auf der Insel Gottland war, nach dem Bericht des schwedischen Staatsentomologen Herrn Holmgren, durch die Larve einer Fliegenart, der Kornfliege oder des bandfüßigen Grünauges (Chlorops taeniopus Mg.) die Gerste zur Hälfte zerstört worden im Werthe von etwa anderthalb Millionen Kronen oder gegen zwei Millionen Mark, und nach den Angaben des Herrn von Post ist in der Provinz Upland wenigstens ein Drittel der Roggenernte durch das übermäßige Auftreten derselben Fliege zu Grunde gegangen.

Dieses kleine, anderthalb bis höchstens zwei Linien messende grünäugige Insekt ist großentheils glänzendgelb. Die am queren, gelben Kopfe sitzenden Fühler mit den kreisrunden Endgliedern sind durchaus schwarz wie auch das kleine Scheiteldreieck, dessen Spitze vorn etwa bis zur Mitte der Stirn reicht und dessen hinterer Rand sich mit den schwärzlichen Striemen des Hinterkopfes vereinigt. Das gelbe Brustschild trägt auf seinem Rücken drei breite, glänzend schwarze Längsstreifen, deren mittelster, durchaus gleichbreiter bis zur Basis des gelben Schildchens reicht, während die beiden seitlichen sich nach hinten zu etwas verschmälern und nach vorn hin abkürzen. Außerdem finden wir noch einige schwarze Punkte und Strichelchen über den Flügelwurzeln und an den Brustseiten sowie auf dem kurzen Hinterleibe vier schwarzbraune Querbinden. Die Beine sind durchaus gelb, nur die vordersten an den Füßen schwarz, beim Männchen mit einem gelben Mittelringe gebändert.

Zur Zeit, wo die Aehre noch tief unten im Halme verborgen sitzt, legt unser Grünauge seine Eier zwischen die Blätter. Die nach ungefähr 10 Tagen ausschlüpfenden Larven fressen gewöhnlich vom obersten Knoten aufwärts, weil dort noch der Halm am zartesten ist, unregelmäßige und bald braun werdende Furchen, wodurch knotige Anschwellungen und Verdickungen entstehen, die von den Engländern als „Gicht und Podagra“ bezeichnet werden. Natürlich kann unter solchen Umständen sich keine gesunde Aehre entwickeln; dieselbe bleibt vielmehr zwischen den Blättern sitzen und wenn sie ja zu Tage sich quält, so trägt sie doch keine oder höchstens nur wenige unvollkommen entwickelte Früchte.

Oberes Halmstück von Weizen mit der Fraßstelle, welche durch Wegnahme der Scheide bloßgelegt ist.

„Die erwachsene, etwa 2 Linien lange Larve verpuppt sich in der Regel am Halme oder in der Aehre. Curtis fand die Tonnenpüppchen am 7. August an Weizenhalmen und erhielt daraus am 16. die Fliege. Am 2. Juli fand er dieselben an geil gewachsenen Gerstenpflanzen, die äußerlich ganz gesund aussahen; aber beim Entfalten der Blätter ergab sich eins der Herzblätter als gelb, todt und angefressen und der Halm zerstört. Einen Zoll etwa vom Knoten entfernt saß die braune Tonnenpuppe zwischen den Blättern; bei einer andern Pflanze befand sich dieselbe etwas höher, die junge Aehre war zerstört und an der Spitze gebräunt.“ Nach 17 bis 21 Tagen Puppenzustand kommt die Fliege zum Vorschein.

Es giebt sehr viele und ähnliche Chlorops-Arten, die auch in der Lebensweise übereinstimmen, bisweilen in ungeheuren Schwärmen vorkommen und dann natürlich der Landwirthschaft großen Schaden verursachen. Die Berliner entomologische Zeitschrift veröffentlichte 1857 Folgendes: „Im Spätsommer stiegen von dem Dache eines Hauses in Zittau dichte Wolken auf und glichen so täuschend einem aufwirbelnden Rauche, daß man mit Spritzen und Wasser herbeieilte, um das vermeintliche Feuer zu löschen. Die genauere Untersuchung ergab, daß Millionen einer kleinen Fliegenart, des großnasigen Grünauges (Chlorops nasuta M.) aus einer durch einen abgebrochenen Dachziegel entstandenen Lücke im Dache hervorschwärmten und so zu der Täuschung Veranlassung gaben. Gleichzeitig fand sich dieselbe Fliege in und an einigen anderen Häusern der Stadt in ungeheuren Mengen.“ Ob etwa Stroh oder Heu auf den Böden der in Rede stehenden Häuser aufbewahrt gewesen, wurde leider nicht gesagt. Die größte Vorsicht ist diesem verwüstenden Insekt gegenüber geboten, und genaue Beobachtungen desselben werden hoffentlich die Mittel zu seiner rechtzeitigen Vernichtung erkennen lassen.