Grafschaft Schaumburg

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Territorium im Heiligen Römischen Reich
Grafschaft Schaumburg
Wappen
Karte
Karte der beiden Nachfolgeterritorien Fürstentum Schaumburg-Lippe und Grafschaft Schaumburg hessischen Anteils von 1866
Herrschaftsform Grafschaft
Herrscher/
Regierung
Graf
Heutige Region/en DE-NI
Reichskreis Niederrheinisch-Westfälisch
Hauptstädte/
Residenzen
Stadthagen und Bückeburg
Dynastien Grafen von Schauenburg und Holstein, Holstein-Schauenburg
Sprache/n Deutsch
Aufgegangen in 1640 Teilung in Grafschaft Schaumburg-Lippe und Grafschaft Schaumburg hessischen Anteils in Personalunion mit der Landgrafschaft Hessen-Kassel

Die Grafschaft Schaumburg war ein Territorium im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Die Grafschaft bestand bis 1640, als sie nach dem Tod des letzten Grafen von Schauenburg und Holstein zwischen den Landgrafen von Hessen-Kassel und den Grafen zur Lippe aufgeteilt wurde.

Geschichte

Stammwappen derer von Schauenburg

Benannt ist die Grafschaft nach der Burg Schaumburg (von 1106 bis ca. 1485 Schauenburg genannt, erst danach zu Schaumburg verballhornt, sie befindet sich heute im Stadtgebiet von Rinteln), nach der sich seit Anfang des 12. Jahrhunderts ein Geschlecht edler Herren benannte, das von 1110 bis 1460 zugleich mit Holstein und Stormarn belehnt war. Das Schaumburger Wappenzeichen, das sogenannte Nesselblatt (eigentlich ein Wappen mit Zierborte), findet sich deshalb noch heute im schleswig-holsteinischen Landeswappen, sowie in den Wappen der Städte Kiel, Neustadt in Holstein, Preetz und Plön, die von den Grafen von Schauenburg und Holstein (auch Schauenburg genannt) gegründet wurden.

Im Jahr 1110 ernannte Herzog Lothar von Supplinburg seinen Lehnsmann Adolf I., den Herrn der Schauenburg, als Nachfolger von Gottfried von Hamburg, der im Kampf gegen die Slawen gefallen war, zum Grafen von Holstein. Adolf I. und seine Nachfolger bekämpften die Slawen und betrieben die Kolonisation und Missionierung vor allem Ostholsteins. Adolf III. erhielt von Heinrich dem Löwen zum Dank für seine Unterstützung Gebiete rings um die Stammburg. 1261 teilten die Söhne von Adolf IV. die Herrschaft untereinander und bildeten mehrere Stammlinien, die sich in weiteren Erbteilungen weiter auffächerten. Die Regentschaft über die Stammherrschaft war seit 1290 mit der Linie Holstein-Pinneberg (auch Holstein-Schauenburg genannt) verbunden. 1295 wurde die Herrschaft Schauenburg zur Grafschaft erhoben. Die mächtige Rendsburger Linie übernahm nach dem Aussterben der anderen Linien deren Gebiet, beherrschte also bis auf den Pinneberger Bezirk ganz Holstein und war zeitweise auch mit dem Herzogtum Schleswig belehnt. 1459 endete mit Adolf VIII. die Schauenburger Herrschaft in Holstein. Die Pinneberger Linie konnte ihre Ansprüche auf die Grafschaft Holstein und das Herzogtum Schleswig nicht durchsetzen.

 
 
 
 
Holstein
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Holstein-Kiel
(1261–1390)
 
 
 
 
 
Holstein-Itzehoe
(1261–1290)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Holstein-Segeberg
(1273–1308)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Holstein-Plön
(1290–1390)
 
Holstein-Rendsburg
(1290–1459)
 
Holstein-Pinneberg
(1290–1640)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Herzogtum
Holstein
(ab 1474)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Grafschaft Rantzau
(1650–1726)
 
 
 
Grafschaft Schauenburg
Grafschaft Schauenburg um 1250
Die Grafschaft Schauenburg (hellblaue Fläche im roten Kreis) um 1250

In ihren Stammlanden an der Weser und nördlich davon gehen auf die Schauenburger Grafen die Städtegründungen von Stadthagen (um 1222) und Rinteln (um 1230) zurück. Sie waren auch im Deister-Vorland begütert und im 13. Jahrhundert Gografen des Bezirks Wennigsen, weshalb ihnen die Vogtei des Klosters Wennigsen unterstellt wurde. Die Grafenfamilie stiftete Eigentum an das Kloster.[1] Zum Schauenburger Besitz gehörte seit 1377 die Grafschaft Sternberg. 1402/05 wurde sie an die Edlen Herren zur Lippe verpfändet.

Graf Johann IV. von Schauenburg und Holstein-Pinneberg erhielt durch die Ehe mit Cordula von Gehmen 1476 die Herrschaft Gemen. Deren Sohn Jobst I. überließ Gemen seinem zweitjüngsten Sohn Jobst II., während dessen älterer Bruder Otto IV. Schauenburg und Holstein-Pinneberg regierte. Wie im Ehevertrag mit seiner zweiten Frau, Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg, zugesichert, ließ Otto am 5. Mai 1559 in der Grafschaft Schaumburg die Reformation einführen.[2] Damit hatte er gewartet, bis seine Brüder Adolf, Erzbischof von Köln von 1547 bis 1556, und Anton, Erzbischof von Köln von 1557 bis 1558, gestorben waren, da die beide entschiedene Gegner der Reformation waren.[3]

Unter Ottos Sohn Ernst erlebte die Grafschaft eine Blütezeit. Die Residenz wurde nach Bückeburg verlegt. 1619 wurde die Grafschaft zum Fürstentum erhoben. Da Ernst keine Kinder hatte, stammten die beiden letzten Schaumburger Grafen, Jobst Hermann und Otto V., aus dem Gemener Zweig. Mit Ottos Tod 1640 starben die Grafen von Holstein-Schaumburg aus.

Die Grafschaft Schaumburg gehörte seit 1500 zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis.

Teilung

Nach dem Tode Ottos V. als letztem männlichem Schaumburger 1640 wurde die Grafschaft Schaumburg unter dem Haus Braunschweig-Lüneburg, den Landgrafen von Hessen-Kassel und den Grafen zur Lippe aufgeteilt. Die Mutter von Otto, Elisabeth von Holstein-Schaumburg, eine geborene Gräfin zur Lippe, erhob dabei Ansprüche auf das Erbe ihres Sohnes, die sie 1643 testamentarisch ihrem jüngeren Bruder Philipp I. zur Lippe-Alverdissen vermachte. Gleichzeitig reklamierte Landgräfin Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel die Grafschaft als heimgefallenes hessisches Lehen. Nach langwierigen Verhandlungen und Prozessen unter anderem vor dem Reichskammergericht einigte man sich schließlich 1647 auf eine Aufteilung der alten Grafschaft in einen „lippischen“ und einen „hessischen Anteil“ wie unten beschrieben.[4] Diese Regelung wurde 1648 durch den Westfälischen Frieden besiegelt.[5]

Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg erhielt aus der Teilung ebenfalls als heimgefallene Lehen die Gemeinden bzw. Ämter Lauenau, Mesmerode und Bokeloh mit Idensen.

Grafschaft Schaumburg in der Landgrafschaft Hessen-Kassel

Die namensgebende Schaumburg

Der hessische Teil wurde unter der Bezeichnung Grafschaft Schaumburg in Personalunion mit der Landgrafschaft Hessen-Kassel geführt. Hessen-Kassel richtete mit der Regierung zu Rinteln eine Zentralverwaltung für dieses Gebiet ein. Darunter bestanden folgende Ämter:

Die Zentralverwaltung bildete die Kanzlei, ab 1760 Regierung genannt. An der Spitze stand der Kanzleidirektor, ab 1760 Regierungspräsident, ab 1791 Regierungsdirektor. Dies waren

1821 wurde im Kurfürstentum Hessen die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung umgesetzt. Für die Verwaltungsangelegenheiten wurde die Grafschaft Schaumburg als Kreis in der Provinz Niederhessen gebildet. 1866 wurde dieser Teil wie das gesamte Kurfürstentum Hessen von Preußen annektiert und als Kreis Rinteln in die neue preußischen Provinz Hessen-Nassau eingegliedert, wo er ab 1904 als Landkreis Grafschaft Schaumburg (mit Sitz nach wie vor in Rinteln) geführt wurde. Nach einer Verwaltungsreform innerhalb Preußens wurde der Kreis 1932 der Provinz Hannover zugeteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Kreis dann unter britische Besatzung und wurde 1946 Bestandteil des Landes Niedersachsen.

Grafschaft Schaumburg-Lippe

Der lippische Teil wurde unter der Bezeichnung Grafschaft Schaumburg-Lippe als eigenständige Grafschaft weitergeführt und stieg 1807 von Napoleons Gnaden zum Fürstentum Schaumburg-Lippe auf, nachdem Graf Georg Wilhelm 1807 dem Rheinbund beigetreten war.[8] 1815 trat das Fürstentum dem Deutschen Bund bei und wurde nach 1871 ein Gliedstaat des Deutschen Reiches. Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe verzichtete am 15. November 1918 auf den Thron.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Schaumburg-Lippe ein Freistaat innerhalb der Weimarer Republik. 1946 ging dieser im Land Niedersachsen auf. Verwaltungsmäßig bestand das Land Schaumburg-Lippe aus den beiden Landkreisen Stadthagen und Bückeburg, die 1948 zum Landkreis Schaumburg-Lippe (Sitz in Stadthagen) vereinigt wurden. Durch Vereinigung des größten Teiles des Landkreises Schaumburg-Lippe (ohne die "Seeprovinz" um das Steinhuder Meer) mit dem größten Teil des Landkreises Grafschaft Schaumburg (ohne Hessisch Oldendorf) entstand am 1. August 1977 der heutige Landkreis Schaumburg.

Literatur

  • Stefan Brüdermann (Hrsg.): Schaumburg im Mittelalter, (Schaumburger Studien 70) Bielefeld 2014.
  • Helge Bei der Wieden: Schaumburgische Genealogie: Stammtafeln der Grafen von Holstein und Schaumburg – auch Herzöge von Schleswig – bis zu ihrem Aussterben 1640 ; mit 6 Stammtaf, Melle 1999 (Schaumburger Studien 14).
  • Höing, Hubert (Hg.): Der Raum Schaumburg: zur geschichtlichen Begründung einer regionalen Identität, Melle 1998 (Schaumburger Studien 57).
  • Gudrun Husmeier: Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg (= Schaumburger Studien. Bd. 68 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bd. 239). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89534-688-0.
  • Walter Maack: Die Geschichte der Grafschaft Schaumburg. Eine Darstellung ihrer Geschichte. 3., erweiterte Auflage. Bösendahl, Rinteln 1986, ISBN 3-87085-106-6.
  • Schaumburger Landschaft: Schaumburger Land. Eine kleine Landeskunde. 3. Aufl., Bückeburg 2013.
  • Günther Schmidt: Die alte Grafschaft Schaumburg: Grundlegung der historischen Geographie des Staates Schaumburg-Lippe und des Kreises Grafschaft Rinteln, Göttingen 1920.
  • Helge Bei der Wieden: Schaumburg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 593 (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. 750 Jahre Wennigsen 1200–1950. Herausgegeben vom Vorbereitenden Ausschuss für die 750-Jahrfeier der Gemeinde Wennigsen, Wennigsen (gedruckt bei den Buchdruckwerkstätten Hannover) 1950, S. 8–9.
  2. Werner Führer: Schaumburg-Lippe. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE), Bd. 30, S. 80–83, hier S. 80.
  3. Werner Führer: Schaumburg-Lippe. In: TRE, Bd. 30, S. 80–83, hier S. 80–81.
  4. Ausführliche Schilderung des Teilungsprozesses in: Falkmann: Philipp, Graf zur Lippe. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 8–10.
  5. Instrumentum Pacis Osnabrugensis (Osnabrücker Friedensvertrag), Art. 15, Abs. 3.
  6. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818, S. 216 ff. Digitalisat.
  7. Kurt Dülfer, Franz Engel: Die hessischen Beamten in der Grafschaft Schaumburg von 1640 bis 1800, 1963, S. 3.
  8. Akzessionsvertrag betreffend den Beitritt Ihrer Durchlauchten der Fürsten Paul Alexander Leopold II. von Lippe-Detmold und Georg Wilhelm von Schaumburg-Lippe zum Rheinbund. vom 18. April 1807. (auf: documentarchiv.de)